Urteil: Sekretärin für KZ-Verbrechen mitverantwortlich

Es war einer der letzten Prozesse gegen eine Täterin des Nationalsozialismus: Der Bundesgerichtshof hat ein wichtiges Urteil zur Verantwortung von Menschen gefällt, die in deutschen Konzentrationslagern gearbeitet haben.

Während des Nationalsozialismus arbeitete die heute 99-jährige Irmgard Furchner als Sekretärin im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig (heute Gdansk in Polen). Mehr als 60.000 Menschen starben dort. Im Dezember 2022 wurde Furchner zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt – wegen Beihilfe zum Mord in 10.500 Fällen. Furchner war zur Tatzeit 18 bzw. 19 Jahre alt und wurde nach dem Jugendstrafrecht verurteilt, deshalb war die Strafe so gering.

Gegen das Urteil legte ihr Anwalt Revision ein. Er argumentierte, dass Furchner nicht wusste, dass sie Teil dieses mörderischen Apparats war. Ihre Arbeit verstand sie als „normale Sekretariatstätigkeit“. Das wiesder Bundesgerichtshof (BGH) nun zurück: „Ihre Tätigkeit als einzige Stenotypistin war für den durchweg bürokratisch organisierten Lagerbetrieb von zentraler Bedeutung“, so der BGH. Von den Verbrechen muss sie gewusst haben, davon ist das Gericht überzeugt.

Die Anwälte der 23 noch lebenden Nebenkläger begrüßten das Urteil. Dabei geht es nicht um Rache, sagte Onur Özata, der drei Überlebende des KZ Stutthof vertritt. Furchner kann sich nun nicht mehr herausreden und sagen, dass sie „nur Papierkram“ erledigt hat, so Özata. Tatsächlich wurde in dem Prozess zum ersten Mal eine Zivilangestellte angeklagt. Dass Urteil zeigt nun: Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung sind mitverantwortlich für NS-Verbrechen.

Für Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz Komitee hat das Urteil deshalb eine historische Bedeutung: Viele Täterinnen und Täter haben im „Mordapparat der Konzentrationslager Mitverantwortung getragen und nie einen deutschen Gerichtssaal von innen gesehen“, so Heubner. „Sie konnten stattdessen in Ruhe ihre Rente genießen.“