Manuskript

Als erste schwarze Frau im Bundestag

2021 sitzt zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine schwarze Frau im Bundestag. Awet Tesfaiesus ist Anwältin und Mitglied der Partei Bündnis 90/die Grünen. Als bei einem rassistischen Anschlag in Hanau in ihrem Bundesland Hessen zehn Menschen ermordet wurden, dachte sie darüber nach, Deutschland zu verlassen. Sie ist geblieben und hat sich entschieden, im Land gegen Rassismus zu kämpfen.

SPRECHERIN:
Es gibt viel zu tun und keine Zeit zu verlieren. Awet Tesfaiesus arbeitet ohne Unterlass, seitdem die Bundestagswahl ihr einen Platz in Deutschlands Geschichtsbüchern beschert hat. Die in Eritrea geborene Anwältin war schon lange in der Kommunalpolitik aktiv, bis ein rassistischer Anschlag in ihrem Bundesland ihr Weltbild erschütterte.

AWET TESFAIESUS (Mitglied des Bundestags):

Ich weiß nicht warum, Hanau hat bei mir einen Punkt erreicht, wo ich einfach das Gefühl hatte: Jetzt geht nix mehr. Jetzt muss sich was ändern. Ich halte es nicht mehr aus!

SPRECHERIN:
Zehn Menschen wurden bei dem Attentat getötet, neun von ihnen mit Migrationsgeschichte. Überkommen von dem Gefühl, dass Deutschland kein sicherer Ort für sie und ihre Familie mehr ist, erwog sie, das Land zu verlassen.

AWET TESFAIESUS:
Zur Wahrheit gehört auch, es ist schwer ein Land zu finden, welches rassismusfrei ist. Von daher war die nächste Option: Wir bleiben hier, aber geben alles, was wir können, um gegen Diskriminierung und Rassismus anzukämpfen.

SPRECHERIN:
Hier, im ländlichen Nordhessen, ist eine schwarze Frau auf dem Wahlzettel noch etwas Außergewöhnliches. Aber der Mangel an Vorbildern war sogar Ansporn für die 47-Jährige. Denn für sie ist Sichtbarkeit Empowerment.

AWET TESFAIESUS:
Wenn unsere … in den Schulen die Schüler ein Drittel, ein Viertel Migrationshintergrund haben, warum haben wir das nicht auf der Lehrerseite? Sollte es sein, finde ich. Ich möchte mich als Schüler:in auch gespiegelt sehen bei den Lehrer:innen – und genauso in den Behörden und genauso in unseren Parlamenten.

SPRECHERIN:
Doch während die deutsche Gesellschaft immer diverser wird, hinken die Institutionen im Land statistisch noch hinterher. Der Bundestag hat 736 Mitglieder. 83 von ihnen haben Wurzeln im Ausland. 26 Prozent der deutschen Bürger:innen haben Migrationsgeschichte. Im Parlament sind es allerdings nur 11 Prozent. Weniger als die Hälfte dieser Abgeordneten sind Frauen. Und bis Tesfaiesus gewählt wurde, gab es unter ihnen keine einzige schwarze Stimme. Aus ihrem beschaulichen Wahlkreis direkt in die Machtzentrale Berlins. Dass die erste schwarze Frau erst 2021 in den Bundestag einzieht, ist für sie kein Wunder.

AWET TESFAIESUS:
Weil wir einfach strukturellen Rassismus haben in diesem Land. Und wenn wir sagen, es ist egal, dann verschließen wir unsere Augen vor diesen strukturellen Problemen. Dann sind wir nicht bereit zu sehen, dass ich als schwarze Frau andere Bedingungen habe, andere Hürden habe als eine Frau, die nicht schwarz ist. Egal wie qualifiziert ich bin.

SPRECHERIN:
Noch kommt Tesfaiesus nur in den Bundestag, um ihre Post zu holen. Aber sie kann es kaum erwarten, endlich loszulegen.

AWET TESFAIESUS:
Ja, meine Hoffnung ist natürlich, dass wir das Thema Chancengleichheit weiter in den Mittelpunkt stellen. Dass wir sensibilisieren, Bewusstsein schaffen, aber auch inhaltlich was bewegen.

SPRECHERIN:
Die neue Abgeordnete hat viele Pläne. Doch ihr größtes Anliegen ist es, für andere das Vorbild zu sein, das sie selbst nie hatte.

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