Manuskript

Als tibetische Geflüchtete in der Schweiz

Für die chinesische Regierung sind sie Oppositionelle: Tibeter, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, etwa in die Schweiz. Dort ist es für Menschen wie Tenzin und Chemey aber nicht leicht, sich ein neues Leben aufzubauen. Ein Problem ist zum Beispiel, dass die Schweizer Regierung von ihnen Papiere verlangt, die nur die chinesische Botschaft ausstellen kann. Doch die weigert sich. Und für die Schweiz sind die Handelsbeziehungen zu China wichtig.

SPRECHER:
Spiritualität, buddhistische Traditionen seiner Vorväter – das ist dem Tibeter Tenzin wichtig, auch in der Schweiz. 2013 floh er hierher aus seiner Heimat, gründete eine Familie.

TENZIN (Geflüchteter):
Ich möchte hier in der Schweiz bleiben und ein … als Pflegeassistent arbeiten und für meine Familie arbeiten und ja, ein normales Leben leben.

SPRECHER:
In diesem Dorf bleiben, sich eine neue Existenz aufbauen: Davon träumt Tenzin. Seinen richtigen Namen haben wir verändert. Auch seine Frau floh in die Alpenrepublik. Sie haben alle Brücken in die alte Heimat abgebrochen, rufen niemand an. Aus Angst.

CHEMEY:
Ich habe keinen Kontakt mit meiner Familie, weil ich ihnen keine Probleme machen will. Meine Familie wusste auch nicht, dass ich zwei Kinder habe. Das ist sehr traurig für mich und habe ich [ich habe] auch sehr Heimweh.

SPRECHER:
An eine Rückkehr nach Tibet ist nicht zu denken. Drei Asylanträge haben die Schweizer Behörden abgelehnt, weil sie glauben, dass Tenzin über ein sicheres Drittland hierherkam. Ohne Papiere dürfen sie aber nicht arbeiten, obwohl er ein Praktikum als Altenpfleger gemacht hat. Bei Behördengängen helfen Freunde, die sie in der Schweiz gefunden haben.

THOMAS BÜCHLI (Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische-Freundschaft):
Wir versuchen dann von den Tibet-Organisationen her sie zu unterstützen, ihnen zu helfen, zum Beispiel mit dem „Paten-Netz“, um ihnen den Alltag etwas leichter zu machen.

SPRECHER:
Trost und Stille fürs Gebet. Viele Tibeter finden es hier: In einem buddhistischen Kloster eine Autostunde nördlich von Zürich. Auch Tenzin liebt diesen Ort. Er erinnert ihn an seine Jugend. Die habe er in einem Kloster verbracht. Daran denkt er gerne zurück.

TENZIN:
Alles schön. Früh morgens aufstehen und Betten machen, Frühstück und mit Freunden spielen.

SPRECHER:
Das unbeschwerte Leben endete, als chinesische Sicherheitskräfte die Mönche drangsalierten. Sie versuchten, sich dagegen zu wehrenvergebens.

TENZIN:
Jeden Tag stören sie uns und unterdrücken sie uns und unsere Freiheit. Dagegen habe ich also Plakate geklebt und Proteste gemacht.

SPRECHER:
Freunde sollen ihn gewarnt haben: Die Polizei sei auf der Suche nach ihm. Tenzin floh in die Schweiz. Der Abt des Klosters: Er kennt viele ähnliche Schicksale.

GESHE THUPTEN LEGMEN (Abt):
Im Grunde gibt es keine Religionsfreiheit in China. Wenn du die Regierung kritisierst, werfen sie dich ins Gefängnis.

SPRECHER:
Darüber reden wollten wir auch mit jemandem von der chinesischen Botschaft in Bern. Doch unsere Interview-Anfragen blieben unbeantwortet. In die Schweiz geflohene Tibeter – für die chinesischen Kommunisten sind das Oppositionelle. China setzt in den Beziehungen zur Schweiz ganz auf den Ausbau der ökonomischen Beziehungen. Beide Länder verbindet seit 2013 ein Freihandelsabkommen. Der Handel wächst kontinuierlich. Wirtschaftsinteressen zu verfolgen und dabei Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen – ein Balanceakt für die Schweiz.

FABIAN MOLINA (Nationalrat, Sozialdemokratische Partei der Schweiz):
China tritt zunehmend autoritär auf, setzt seine Interessen stärker durch in der Wirtschaftspolitik, in der Flüchtlingspolitik, und darauf muss die Schweiz auch reagieren und koordinierter vorgehen.

SPRECHER:
In die chinesische Botschaft musste auch Tenzin vor einiger Zeit, wollte sich bestätigen lassen, dass er aus Tibet stammte.

TENZIN:
Einmal, ich bin zur chinesischen Botschaft gegangen, einen Ausweis zu holen, und sie haben angefangen mich [mit mir] zu streiten und ich fühlte mich bedroht.

SPRECHER:
Die Chinesen weigerten sich, ihm entsprechende Papiere zu geben. Nach wie vor fühlt er sich bedroht. Schließlich haben ihm die Schweizer Behörden bislang kein Asyl gewährt. Wie es weitergehen soll – er weiß es nicht.