Manuskript

Anschlag von Hanau: Kampf gegen das Vergessen

2020 ermordete ein Rechtsextremist in Hanau neun Menschen. Ҫetin Gültekin verlor bei dem Anschlag seinen Bruder Gökhan. Seitdem kämpft er gegen Rassismus und Rechtsextremismus – und hofft, dass er auf diese Weise dazu beitragen kann, dass so etwas nie wieder passiert.

SPRECHERIN:
Zwei Jahre danach: Der rassistische Anschlag von Hanau geht Ҫetin Gültekin jeden Tag durch den Kopf.

ҪETIN GÜLTEKIN (Angehöriger eines Anschlagopfers und Aktivist):
Von hier bis zu dieser Park…dings gab‘s ‘ne Blutspur.

SPRECHERIN:
Sein 37-jähriger Bruder Gökhan wurde damals erschossen.

ҪETIN GÜLTEKIN:
An dem Abend war Gökhan auch da. Mein Sohn Mert, er kam richtig spät. Und Gott hat wenigstens ihn geschützt, sonst wäre er vielleicht auch angeschossen.

SPRECHERIN:
Am 19. Februar 2020 ermordete ein 43-jähriger Rechtsextremist in Hanau neun Menschen aus rassistischem Motiv. Gökhan Gültekin war eines der Opfer. Der Täter erschoss anschließend seine Mutter und dann sich selbst. Angehörige der Opfer haben sich in der „Initiative 19. Februar“ zusammengeschlossen. Gemeinsam kämpfen sie für Aufklärung. Denn bis heute sind viele Fragen nicht geklärt. Doch Gültekin will nicht mehr nur auf Antworten warten. Er erzählt seine Geschichte immer und immer wieder, spricht öffentlich. Er will etwas gegen Rassismus in unserer Gesellschaft tun. Gemeinsam mit anderen Angehörigen versucht er, Schüler und Studenten aufzuklären.

ҪETIN GÜLTEKIN:
Unsere Absicht ist natürlich: denen bewusst machen, dass die die zukünftigen Polizisten, Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Politiker sind und die uns diese Gesellschaft ohne Rechtsextremismus und Rassismus erschaffen werden.

SPRECHERIN:
Das ist zu einer Lebensaufgabe geworden. Ҫetin Gültekin steckt voller Tatendrang, ist gleichzeitig aber auch erschöpft. Ein Ort der Ruhe ist für ihn der Friedhof in Hanau geworden. Hier wird seines Bruders Gökhan und acht weiterer Opfer gedacht.

ҪETIN GÜLTEKIN:
Wenn ich hierherkomme und sauber mache, Blumen lege und bete für die, weil ich weiß, mein Bruder wird … hört mich und sieht mich, das ist meine Therapie. Hier komme ich in Frieden und hier kann ich abschalten, hier kann ich Energie tanken, hier kann ich mich auf meine nächste Aufgabe vorbereiten.

SPRECHERIN:
Hanau und Deutschland sind Ҫetin Gültekins Heimat. Doch seit dem 19. Februar 2020 fühlt er sich hier nicht mehr so sicher wie früher. Er will, dass sich das wieder ändert. 

ҪETIN GÜLTEKIN:
Also, ich wünsch mir, dass so was, was hier in Hanau passiert ist, nie wieder passiert in diesem Land. Ich tue natürlich tagtäglich daran erinnern, was hier passiert ist, weil nur durch Erinnern wir etwas verändern können in dieser Gesellschaft.

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