Manuskript

Auf dem Schrottplatz

In der Nähe von Hamburg befindet sich einer der größten Schrottplätze Europas. Über 2500 Autos stehen dort. Das Besondere: Viele Autos, die dort abgegeben werden, kann man eigentlich noch ohne Probleme fahren. Doch wegen der der sogenannten „Abwrackprämie“, bei der man beim Kauf eines neuen Autos noch Geld für sein altes bekommt, lassen die Autobesitzer ihre alten, noch funktionierenden Fahrzeuge verschrotten.

SPRECHER:
Auf 70.000 Quadratmetern: alles Schrott. Über 2500 Autos in der Nähe von Hamburg. Einer der größten Schrottplätze Europas. Für Samisi Ayama ist hier jeder Tag anders.

SAMISI AYAMA (Mechaniker):
Man sieht die ganzen schönen Autos zum Kaputtmachen und so alles, das ist [meine] Traumarbeit, ja.

SPRECHER:
Ein riesiger Mikrokosmos, der nach eigenen Regeln funktioniert.

BESUCHER 1:
Jo, ich hab’s gefunden.

BESUCHER 2:
Endlich hab’ ich mein Teil gefunden. Top!

BESUCHER 3:
Das ist einfach ein großer Männerspielplatz.

SPRECHER:
Hier stehen lauter Mittelklasse-Wagen: alles Diesel. Und kaum zu glauben: alle noch fahrtüchtig. So wie dieser: Der Besitzer bringt seinen VW Passat Diesel zum Verschrotten. Wegen des großen Diesel-Abgas-Skandals in Deutschland ist der Wagen jetzt nur noch 1000 Euro wert. Dank Abwrackprämie bekommt er aber viel mehr: noch 7000 Euro.

VIKTOR ZAHMANN:
Das ist eigentlich noch ein Fahrzeug, was auch funktioniert, auch frisch TÜV hat und …, aber dadurch, dass ich mir jetzt halt ein Leasing-Auto geholt hab’, kann der jetzt weg.

SPRECHER:
Vom Schrottplatz-Betreiber bekommt er dazu noch Geld für die Ersatzteile.

OLE HELBACH (Personalleiter, Kiesow Autorecycling):
Da gibt’s noch ’nen Hunderteuroschein, da können Sie noch schick essen gehen einmal.

SPRECHER:
Bis maximal 10.000 Euro Rabatt geben einige Autokonzerne, wenn Diesel-Besitzer ihr altes Auto verschrotten lassen und sich ein neues, umweltfreundlicheres Fahrzeug kaufen.

OLE HELBACH:
Alles eigentlich Fahrzeuge, die noch nicht dran sind zum Verschrotten, und auch so ’n Auto hätte ja noch ’n bisschen gehalten. Aber was im Moment verschrottet wird aufgrund dieser Prämie, die dann versprochen und auch gezahlt wird … Das Angebot ist so verlockend, da wird man halt schwach.

SPRECHER:
Wegen der sogenannten „Umweltprämie“ landen in der Recycling-Werkstatt nicht nur kaputte Autos, sondern immer mehr gut erhaltene wie dieser: ein fahrtüchtiger VW Diesel, Baujahr 2006. Einzelteile wie der Motor landen im Verkauf. Immerhin: Sie werden recycelt. Nicht alles landet auf dem Müll.

TOBIAS STRUCK (Mechaniker Kiesow Autorecycling):
Das tut ganz schön weh, weil so ein Fahrzeug … Der hat 47.000 Kilometer runter, der ist so sauber. Natürlich, der könnte noch einige Jahre auf der Straße fahren, also, der ist noch komplett in Schuss.

SPRECHER:
Ressourcenschonend ist das nicht gerade. Nach der Werkstatt übernimmt der Kollege die Fahrzeuge. Auch brauchbare Reifen gehen in den Wiederverkauf. Dann legt Samisi Ayama – wie er sagt – das Auto trocken: Altöl, Restbenzin, Scheiben- und Kühlflüssigkeit, alles wird entsorgt. Auch die Batterien werden getrennt. Und mit dem Riesenkneifer schneidet er die Katalysatoren ab. Das bringt auch noch ein paar Euro. Erst jetzt kommen die Autos auf den Schrottplatz – bereit für die Hobby-Schrauber. 500 von ihnen zieht es jeden Tag hierher. Für die Ersatzteile bezahlen sie hier etwa ein Viertel des Neupreises.

CLAUDIA FERNANDEZ (Kundin):
Danke, meine Beute! Super!

SPRECHER:
Über 10.000 Teile hat ein Auto. Das passende für sein Modell zu finden, kann Stunden dauern.

KIM KUSTAK (Kunde):
Ja, wunderbar, da ist er, das gute Stück. Bei dem Fahrzeug hab’ ich mir den Tempomat ausgebaut, da ja einige Autos gleich sind. Ja, ich schraub’ halt privat gern an Autos sehr viel. Und find’s einfach nur schade, weil hier sind wirklich gute Teile noch [da]bei.

SPRECHER:
Elf Autos besitzt der Deutsche durchschnittlich in seinem Leben. Dabei ist die Herstellung ressourcenintensiv. Das Ausschlachten verbessert die Umweltbilanz immerhin ein wenig. Am Ende des Tages ist auch der fahrtüchtige weiße VW auseinandergeschraubt – bereit für den Schrottplatz. Den Rest erledigen die Hobby-Schrauber. Drei Monate – dann ist er so zerfleddert, dass er in der Metallpresse landet und eingeschmolzen wird.

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