Aus dem Alltag einer jüdisch-muslimischen Ehe
Für Meron Mendel und Saba-Nur Cheema ist die Tatsache, dass sie miteinander verheiratet sind, nichts Ungewöhnliches – sie haben sich ineinander verliebt wie jedes andere Paar. Doch für ihre Familien war es nicht leicht, die Beziehung zu akzeptieren – denn Meron Mendel ist Jude und Saba-Nur Cheema Muslima. Inzwischen haben die beiden selbst Kinder und schreiben über den Alltag in einer jüdisch-muslimischen Ehe.
SPRECHER:
Die Muslima Saba-Nur Cheema und der Jude Meron Mendel sind seit vier Jahren glücklich verheiratet – eine ganz normale Familie zu Besuch im Berliner Zoo. Die beiden zeigen, dass ein friedliches Miteinander trotz unterschiedlicher Herkunft und Religionszugehörigkeit möglich ist.
MERON MENDEL (Leiter Bildungsstätte Anne Frank):
Also, uns wird immer gesagt: Wie könnt ihr als eine Muslima, als Jude zusammenleben, ist es irgendwie kompatibel, klaffen [sich] nicht die Religionen auseinander? Und eigentlich … in unserem Alltag spielt es keine größere Rolle. Wir feiern jüdische Feiertage, wir feiern muslimische Feiertage. Wir sprechen Hebräisch und Urdu zu Hause, und irgendwie scheint [das] für uns mindestens eine gute Sache zu sein.
SPRECHER:
Der gebürtige Israeli kam als Student nach Deutschland. Heute leitet er die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main und hat auch die Deutsche Welle zum Thema Antisemitismus beraten. Saba-Nur Cheema ist als Tochter pakistanischer Flüchtlinge in Frankfurt am Main aufgewachsen. Für das deutsche Innenministerium hat die Politologin zum Thema Muslimfeindlichkeit in Deutschland geforscht. Ihre Ehe: das Resultat ihrer Liebe.
SABA-NUR CHEEMA (Politologin):
Häufig sehen Menschen in uns sowas wie ein Zeichen der Hoffnung für den Nahostkonflikt. Doch wir müssen da enttäuschen. Unsere Ehe ist kein Friedensprojekt, [sondern] tatsächlich eine ganz normale Ehe.
SPRECHER:
Wie liberal und offen sich die jeweiligen Communitys auch geben, eine Heirat zwischen Juden und Muslimen ist für viele bis heute eine Provokation. Auch in ihren Familien mussten die beiden Widerstände überwinden.
SABA-NUR CHEEMA:
Natürlich gab es keine Freudensprünge. Also, auch unsere Familien sind nicht frei von diesen Stereotypen und Vorurteilen, die es eben gibt. Auch der Nahostkonflikt, und bei Meron ja sowieso, ich meine, sie sind Teil … sie sind Teil, also sozusagen im Nahostkonflikt mittendrin, das betrifft sie, und die Haltung gegenüber den jeweils anderen ist vorgeprägt. Und das war natürlich erstmal harte Arbeit. Was es aber vor allem verändert hat, ist einfach die reale Begegnung.
SPRECHER:
Die beiden reisen nach Jerusalem, besuchen jüdische und muslimische Glaubensstätten. Saba lernt Merons Familie in Israel kennen. Wir treffen die beiden in einem Hotel in Berlin. Seit drei Jahren schreiben sie die Kolumne „Muslimisch-jüdisches Abendbrot“ für eine große deutsche Zeitung. Auch ihre Kinder sind hier ein Thema.
SABA-NUR CHEEMA:
Tatsächlich ist diese Frage, Judentum oder Islam, mit Blick auf die Kinder eine viel wichtigere, und viele warnen uns auch davor: Das wird nicht funktionieren, am Ende werden sie sich für „weder – noch“ entscheiden, oder sie müssen sich entscheiden – es gibt doch diese Erwartungshaltung. Für uns im Alltag ist es gerade problemlos zu sagen: Jeder folgt irgendwie der eigenen Religion, und dann gibt es sozusagen auch noch gemeinsame Erlebnisse. Das ist umso schöner. Das ist ’ne Bereicherung letztlich im Alltag.
SPRECHER:
Nach dem terroristischen Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel und der kriegerischen Eskalation im Nahostkonflikt hoffen die beiden umso mehr auf Frieden.
MERON MENDEL:
Auch wenn es gerade im Zuge des Gaza-Kriegs so aussieht, dass Juden und Muslime Feinde sein müssen – das ist nicht so. Es gibt natürlich in jeder Community sehr unterschiedliche Menschen und wir versuchen gerade, diese Zwischentöne zu finden.
SPRECHER:
Aus ihrer Kolumne ist mittlerweile ein ganzes Buch entstanden. Auf ihrer Lesereise durch Deutschland merken sie, wie groß das Interesse an ihrem Alltag, aber auch an ihrer Sicht auf den Konflikt im Nahen Osten ist.
SABA-NUR CHEEMA:
Uns bestärkt auch, dass die gemeinsame Arbeit auch sehr gut sich für uns anfühlt, aber auch gut ankommt. Das ist so ’n bisschen beides, und das motiviert uns auch immer wieder und letztlich auch das private Umfeld, auch die Familien ... da ist so viel Neues entstanden.
SPRECHER:
Saba-Nur Cheema und Meron Mendel wollen sich auch in Zukunft sowohl beruflich als auch in ihrem privaten Umfeld für den Dialog und die Verständigung zwischen Juden und Muslimen einsetzen.