Manuskript

Berlin hat (k)ein neues Schloss 

Einst wohnte hier der deutsche Kaiser: im Berliner Stadtschloss. Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile des Gebäudes zerstört und die DDR-Regierung ließ an seiner Stelle den Palast der Republik bauen. Nach der Wiedervereinigung wurde beschlossen, das Stadtschloss teilweise wiederaufzubauen. Es soll aber kein Schloss mehr sein, sondern ein Ort für Kultur und Wissenschaft. Im Dezember 2020 wurde das Gebäude, das nun „Humboldt Forum“ heißt, neu eröffnet.

 

SPRECHER:
Barocke Fassaden treffen auf moderne Architektur: Nach acht Jahren Bauzeit ist die Neuinterpretation des historischen Barockschlosses in der Mitte Berlins so gut wie fertig. Außen und innen treffen überall Alt und Neu zusammen. Beherbergt wird hier zukünftig das „Humboldt Forum“, ein neuer Ort für Kultur und Wissenschaft.

HARTMUT DORGERLOH (Intendant):
Das Humboldt Forum ist kein Schloss. Das Humboldt Forum ist ein radikaler Neubau, der – so hat es der Bundestag beschlossen – aber an das alte Berliner Schloss erinnert, indem draußen an drei Fassaden und auch hier in dem zentralen Hof die Fassaden des Vorgängerbaus genau rekonstruiert worden sind.

SPRECHER:
Sogar Originalteile des alten Schlosses sind in den Neubau integriert. Vor der schrittweisen Eröffnung glänzt erst einmal die reine Architektur. Und die erzählt deutsche Geschichte. Seine barocke Fassade erhält das Schloss im 18. Jahrhundert. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, lässt es die DDR-Führung 1950 sprengen. An seiner Stelle entsteht der Palast der Republik, Sitz der DDR-Volkskammer. 1989: Die DDR-Bürger schaffen ihr eigenes Regime ab. Ab 2006 wird der Palast der Republik abgerissen – nach vielen Debatten. 2012 beginnt der Bau der Neuinterpretation des Schlosses. Die Kosten: 677 Millionen Euro, teilweise finanziert durch Spenden. Die Geschichte des Ortes soll auch in den geplanten Ausstellungen beleuchtet werden – und vieles mehr. 

HARTMUT DORGERLOH:
Es geht natürlich auch um die großen Themen, die die Sammlungen der ethnologischen Museen hier mit ins Haus bringen. Es geht um Kolonialismus, um Kolonialität, es geht um die Gebrüder Humboldt, es geht um wirklich eine globale Perspektive von heute auch auf den historischen Zusammenhang, den dieses Haus hier abbildet.

SPRECHER:
Hier wurde die Architektur des Schlossneubaus erdacht: im norditalienischen Vicenza. Architekt Franco Stella gewann 2008 den Wettbewerb zum Schlossbau.

FRANCO STELLA (Architekt):
Die wichtigsten Straßen, Plätze und Bauten des historischen Zentrums [von] Berlin waren auf das Schloss bezogen. Mit der Rekonstruktion werden diese Beziehungen wieder erlebbar.

SPRECHER:
Die Corona-Pandemie verhindert die jetzt eigentlich geplante festliche Teileröffnung des Schlosses. Berliner und Berlin-Besucher können sich aber bereits an der Außenansicht erfreuen.

HARTMUT DORGERLOH:
Wir könnten loslegen und bitter ist es, dass wir das ohne Publikum machen müssen, also diesen Meilenstein begehen, denn es ist ja ein Haus für uns alle, für Menschen aus aller Welt. Und wir hoffen, dass bald denn auch wirklich das Publikum hierherkommt, denn für die machen wir das.

SPRECHER:
Das neue alte Berliner Schloss: ein Bauwerk mit Geschichte – und einer barocken Fassade, hinter der sich viel Modernes verbirgt.

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