Das Seemannsgarn
Wer Seemannsgarn spinnt, hat viel zu erzählen. Glauben sollte man nicht alles - aber zuhören sollte man. Denn spannend wird es bestimmt.
„Der Hai war riesig und er schwamm direkt auf mich zu. In letzter Sekunde konnte ich ihn mit einem Tritt vertreiben. Dann bin ich hundert Kilometer zurück ans Ufer gekrault.“ Diese unterhaltsame Geschichte ist mit ziemlicher Sicherheit Seemannsgarn. Das heißt, dass der Erzähler nicht ganz bei der Wahrheit bleibt. Das Wort Seemannsgarn dürfte sich irgendwann aus dem Wort Schiemannsgarn entwickelt haben. Das ist eine Art Seil, das man früher auf Schiffen brauchte. Die Seefahrer stellten es selbst her, sie sponnen es. Dabei erzählten sie sich von ihren Erlebnissen auf See. Um es spannender zu machen, dichteten sie noch etwas hinzu. So wurde Schiemannsgarn oder Seemannsgarn zu einem Synonym für Geschichten, in denen übertrieben wird. Natürlich können nicht nur Seefahrer Seemannsgarn erzählen. Auch der Urlauber, der von seiner Begegnung mit einem Hai berichtet, erzählt vielleicht Seemannsgarn. Möglicherweise war der Hai ja nur ein kleiner Fisch und das rettende Ufer war nicht hundert Kilometer sondern nur zehn Meter entfernt. Aber das wäre doch langweilig …