Dem Hass trotzen: queere Menschen in der Werbung
Große Unternehmen arbeiten immer wieder mit bekannten Persönlichkeiten aus der LGBTQ+-Community, um für ihre Produkte zu werben. Doch dafür werden sie oft heftig in sozialen Medien beschimpft – auch von prominenter Seite. Manche Firmen ziehen daraufhin die kritisierte Werbung zurück. Ist das eine gute Entscheidung? Wie sollten Unternehmen auf diesen Hass reagieren?
SPRECHERIN:
Hass auf eine Biermarke: Der US-Sänger Kid Rock lebt ihn aus.
Weil eine bekannte Transgender-Influencerin auf Instagram zuvor für die Marke geworben hat. Ihr Post regt einige erzkonservative Bürger auf. Die Brauerei beendet daraufhin die Zusammenarbeit mit der erfolgreichen Influencerin. Kein Einzelfall: Samsung ist nach Protesten gegen diesen Spot mit einem transsexuellen Mann eingeknickt und stellt die Ausstrahlung ein. Warum tun sich Unternehmen mit solcher Werbung offensichtlich schwer und schadet die unentschlossene Haltung am Ende nicht dem Image und dem Umsatz? Wir sind bei Serviceplan, einer der größten Werbeagenturen Deutschlands. Auch sie hat Kampagnen für und mit Menschen aus der LGBTQ-Community entworfen – zum Beispiel für die deutsche Biermarke Warsteiner.
MYLES LORD (Werbeagentur Serviceplan):
Eine Marke könnte Kunden verlieren, um andere Kunden zu gewinnen: Menschen aus der Queer-Community. Eine entsprechende Werbekampagne erzeugt auch viel positive Resonanz außerhalb der Queer-Community, bei wichtigen Käufergruppen, zum Beispiel Leute zwischen 14 und 27 Jahren. Liberale Werbespots stoßen manchmal konservative Käufer ab. Das muss eine Marke nun mal in Kauf nehmen.
SPRECHERIN:
Jüngstes Projekt der Werbeagentur: ein Tool, mit dem sich Kinderfotos ändern lassen, wenn sich das Geschlecht ändert. Damit die Werbung in der queeren Community auch funktioniert, muss sie glaubwürdig und von Dauer sein.
LAURA SCHLOTTHAUER (Werbeverband GWA):
Also, bei so ‘nem Engagement würde ich immer sagen, man sollte nie auf kurzfristige Ziele hinarbeiten. Es geht um ‘n langfristiges Engagement, das dann mittel-, langfristig zu besseren Imagewerten, zu ‘ner höheren Markenbindung von Communitys beitragen kann. Das ist sicherlich der Fall. Vertrauen in Marken ist ganz wichtig, darauf achten ganz viele Konsumentengruppen zunehmend. Aber ‘ne Kurzfristigkeit mit diesen Themen würde ich nicht empfehlen, weil man wirklich die Gefahr läuft, die Communitys zu enttäuschen, weil keiner will instrumentalisiert werden.
SPRECHERIN:
Instrumentalisieren – dieser Verdacht lastet auf Mercedes-Benz. Zwar solidarisiert sich die Marke mit der LGBTQ-Community auf Instagram, aber nur für kurze Zeit und überhaupt nicht im arabischen Raum
MARA GERI (Lesben- und Schwulenverband LSVD):
Dieser Support für die Community muss ehrlich sein und nachhaltig sein, und da reicht‘s eben nicht, auf ‘nem CSD mit ‘nem Wagen zu sein oder ‘ne Werbekampagne zu starten, sondern Aufklärungsarbeit zu starten, für uns da zu sein bei Hass und Hetze und gerade auch im politischen Bereich vielleicht mal an unserer Seite zu stehen. Das wär wichtig für uns, gerade in diesen Zeiten, und da haben viele, viele Firmen noch Nachholbedarf.
SPRECHERIN:
Viel tut bereits die weltbekannte Eismarke „Ben & Jerry‘s“ in dieser Richtung. Mehr Kampagnen und Aktionen für die LGBTQ-Community gibt es bei keinem anderen Unternehmen. Die US-Firma beschäftigt allein in Europa acht Manager wie Volker von Witzleben, die Diversität und Gleichberechtigung voranbringen sollen.
VOLKER VON WITZLEBEN („Ben & Jerry‘s“ Eiscreme)
Das bedeutet, dass manche Menschen, wenn sie unsere Eiscreme sehen, die in den Müll schmeißen und andere ‘ne ganze Wagenladung kaufen. Am Ende, was uns wichtig ist, ist, wir befeuern die Debatte, und dadurch, dass wir die Debatte befeuern, können wir trotzdem überleben, denn das ist das, was zählt.
SPRECHERIN:
Allerdings gehört die Marke zum Weltkonzern Unilever, und der hält sich bei seinen anderen Marken mit solchen Engagements eher zurück.
MYLES LORD:
Ich denke, dass Marken heute Reibungen in Kauf nehmen. Marken wie Nike, Gillette, Mastercard waren mutig, haben sich der Kritik gestellt und für etwas gestanden. Am Ende haben sie tatsächlich eine große Markentreue bei der jungen Generation gewonnen.
SPRECHERIN:
Wer seiner Position treu bleibt – trotz Shitstorm –, gewinnt neue Kunden und verkauft am Ende mehr.