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Der höchste Kirchturm der Welt

Das Ulmer Münster ist 161,53 Meter hoch. Das ist Rekord, kein Kirchturm auf der Welt ist höher. Jährlich kommen rund eine Million Besucher, um das Bauwerk zu besichtigen und vielleicht sogar auf den Turm zu steigen.

HENDRIK WELLING (Reporter):
Das Ulmer Münstereindrucksvoll und einzigartig. Das hier ist der höchste Kirchturm der Welt! Warum ist der eigentlich so hoch? Wie fühlt es sich an, um den Turm herumzufliegen? Warum wird hier ständig gebaut? Und wie schnell schaff ich‘s nach oben? Der höchste Kirchturm der Welt wirft einige Fragen auf. Für die Antworten steige ich zunächst nach ganz oben. 768 Stufen zu Fuß. Einen Aufzug gibt es nicht. In 143 Metern Höhe - dem Himmel also schon ziemlich nahe - wartet Pfarrer Peter Schaal-Ahlers auf mich.

PETER SCHAAL-AHLERS (Pfarrer):
Manche sagen, es ist wie ein Fingerzeig, dass da oben nochmal im Himmel ‘ne andere Dimension ist. Aber das hört sich mir sehr fromm, eigentlich fast zu fromm an, um wahr zu sein.

HENDRIK WELLING:
161,53 Meter misst der Kirchturm. Weltrekord. Und das in Ulm: Die Stadt hat gerade mal 125.000 Einwohner. Sie liegt im Süden Deutschlands direkt an der Donau. Einst war Ulm eine mächtige und wohlhabende Stadt. Ulmer Barchent, ein hochwertiger Stoff, - war weltweit gefragt. Das Münster zeugt noch heute vom einstigen Reichtum. Nicht nur der Turm ist gigantisch, sondern auch der gotische Kirchenraum. Ich bin einer von rund einer Million Besuchern jährlich und bestaune die sakralen Kunstschätze. Es ist das größte evangelische Gotteshaus Deutschlands.  

PETER SCHAAL-AHLERS:
Das Allerwesentlichste ist, dass es eine Bürgerkirche ist. Und das heißt also, nicht eine Kirche, nicht ein Bischof hat die Idee gehabt, diese Kirche zu bauen, sondern die Bürger selber. Und man sagt, das Selbstbewusstsein der Ulmer sei so hoch wie der Kirchturm.

HENDRIK WELLING:
Das Gründungsrelief zeigt die Grundsteinlegung im Jahr 1377. Schon sehr früh hatten die Ulmer die Vision, den höchsten Kirchturm der Welt zu errichten. Doch 1543 ging das Geld aus. Der Bau wurde gestoppt. Erst 300 Jahre später wurde die Kirche in ihrer jetzigen Form fertiggestellt. 'Fertiggestellt' ist für Michael Hilbert allerdings ein Fremdwort. Als Münsterbaumeister ist er dafür zuständig, die Bausubstanz der Kirche zu erhalten. In der Münsterbauhütte sind 24 Mitarbeiter damit beschäftigt, jeden einzelnen Stein zu prüfen, zu restaurieren oder auszutauschen. Für die Steinmetze eine filigrane Arbeit.

MICHAEL HILBERT (Münsterbaumeister):
Wenn man den Anspruch hat, sag ich mal, so ein Gebäude - und das ist ja ein nationales Denkmal -, eben in diesem Zustand zu restaurieren, dann muss man auch bis in den letzten Winkel diese Detailverliebtheit an den Tag legen.

HENDRIK WELLING:
Das Ulmer Münster aus der Vogelperspektive zu erleben: eigentlich unmöglich. Doch mit dem Ganzkörper-Flugsimulator "Birdly" und einer VR-Brille wird es möglich. Ich fliege virtuell durch Ulm im Jahre 1890 und komme dem Münster nah. Sehr nah sogar. Wahnsinn! Wahnsinn! Wirklich irre! Vor allem: Ich komme mir jetzt wirklich so vor, als sei ich plötzlich wieder in einem völlig anderen Raum wieder. Also, dass ich jetzt wieder hier bin, da muss ich mich erst einmal dran gewöhnen.

Zurück im realen Ulmer Münster. Viele Besucher kommen ja ausschließlich, um den Kirchturm zu besteigen. Und manche machen sogar einen Sport daraus. Beim jährlichen Ulmer Münsterturmlauf rennen sie um die Wette: 560 Stufen bis auf 102 Meter. Der Gewinner des vergangenen Jahres hat 2:36 Minuten gebraucht. Da kann ich leider nicht mithalten. Ich hab‘s geschafft. In fünf Minuten.

Doch hochlaufen, ob schnell oder langsam, lohnt sich allemal. Es gibt ja wesentlich höher gelegene Aussichtspunkte auf der Welt. Aber das Ulmer Münster hochzulaufen mit all der Geschichte drum herum, das ist schon was sehr, sehr Besonderes.

Auch wenn er vielleicht nicht für immer der höchste Kirchturm der Welt bleiben wird, eins wird das Ulmer Münster immer sein: herausragend.

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