Manuskript

Der Krieg wird auch online geführt

Der Krieg in der Ukraine findet auch im Netz statt. Diese digitalen Kämpfe werden nicht mit Waffengewalt geführt, können aber trotzdem großen Schaden anrichten. Denn über das Internet lassen sich Kraftwerke, Unternehmen oder die Gesundheitsversorgung angreifen. Auch militärische Geräte werden zum Ziel von Online-Attacken.
 

SPRECHERIN:
Eine Armee aus Hackern – das hat es bisher noch nicht gegeben. Die Ukraine kämpft auch digital gegen die russische Invasion. Mehr als 250.000 Freiwillige meldeten sich auf einen Aufruf des ukrainischen Vizepremier und Digitalministers Mykhailo Fedorov, um sich einer sogenannten IT-Armee anzuschließen. Das Ziel: Cyberangriffe auf Russland.

GEORGIA OSBORNE (Beraterin, Oxford Information Labs):
Zu den Mitgliedern gehören auch patriotischeHacktivisten“, und die Angriffe, die sie durchführen, mögen zwar stören und manchmal peinlich sein wie das Abschalten von Regierungswebsites, aber sie sind keine Cyber-Kriegserklärung. Ich würde sagen, sie zeugen eher von Hilflosigkeit.

SPRECHERIN:
Der Krieg in der Ukraine wird vor allem mit Waffengewalt geführt: Bomben schlagen in Städten ein, Wohnhäuser werden zerstört, Menschen müssen flüchten. Doch abseits des sichtbaren Krieges gibt es online und digital Attacken von beiden Seiten.

STÉPHANE DUGUIN (Geschäftsführer, Cyberpeace Institute):
Ein Cyberangriff beeinträchtigt den Zugang zu Wasser, zu Nahrungsmitteln, zu Energie und zur Gesundheitsversorgung. Und damit werden wir jetzt in der Krise konfrontiert.

SPRECHERIN:
Doch Hacker griffen die Ukraine auch schon an, bevor die Panzer rollten. Regierungs- und Bankenseiten wurden lahmgelegt, und Schadprogramme zerstörten Daten auf infizierten Rechnern. 2014 findet eine größere Cyberattacke auf die ukrainischen Präsidentschaftswahlen statt. 2015 und 2016 legten Hacker einen Teil des Stromnetzes lahm – mitten im Winter. 2017 löschte ein Sabotage-Programm Festplatten und Server.

GEORGIA OSBORNE:
Was wir 2017 mit dem NotPetya-Angriff erlebt haben, war ein ziemlich groß angelegter Angriff, der sich auf viele Unternehmen auf der ganzen Welt auswirkte, einschließlich der weltweiten Reederei Maersk. Viele Branchen waren betroffen, und es wurden weltweit Kosten in Höhe von etwa zehn Milliarden Dollar verursacht. Es handelte sich also um einen ziemlich groß angelegten Angriff mit weltweiten Auswirkungen.

SPRECHERIN:
So setzt sich die Serie der mutmaßlich russischen Cyberangriffe bis heute fort. Von Spionage, dem Abfischen von Daten bis hin zu digitalen Angriffen auf die Infrastruktur wie zum Beispiel Kraftwerke. Auch die Militärkommunikation wird zur Zielscheibe.

RALF WINTERGERST (Geschäftsführer, Giesecke + Devrient):
Sie müssen sich vorstellen, dass im Kern heute jeder Panzer, jedes Fluggerät schon ein Computer ist par excellence, der auch mit dem Netzwerk verbunden ist. Also alleine in diesen Geräten ist schon massenhaft Cybertechnologie drin.

SPRECHERIN:
Die Ukraine wehrt sich auch auf Social Media gegen den Angriff Russlands. Digitalminister Mykhailo Fedorov nutzt Twitter für seine Antikriegskampagne. Elon Musk bittet er um Starlink-Satelliten, um das Internet aufrechtzuerhalten. Der liefert umgehend. Ausländische Unternehmen ruft er auf, Russland zu boykottieren. Inzwischen haben zahlreiche Firmen das Land verlassen, der wirtschaftliche Schaden ist immens.

GEORGIA OSBORNE:
Der Minister für Digitales war auf Twitter sehr aktiv und hat auf die CEOs großer Unternehmen persönlich Druck ausgeübt, russische Unternehmen zu boykottieren.

SPRECHERIN:
Obwohl die Verwüstungen von Bomben größer sind als Schäden durch Computerviren: Realer und digitaler Krieg werden heute parallelgeführt.

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