Manuskript

Der „Tresor“: Berlins legendärer Technoclub

Kurz nach dem Mauerfall entdeckte Dimitri Hegemann den Keller des früheren Kaufhauses Wertheim und wusste gleich: Das ist ein ganz besonderer Ort. Im ehemaligen Tresorraum mit Wänden und Türen aus Stahl gründete er einen Club, der bald weltbekannt wurde. Hier spielten berühmte DJs wie Jeff Mills und Paul van Dyk. 2005 schloss der „Tresor“. Jetzt steht die Stahltür des Clubs im Museum und erinnert an 100 Jahre Berliner Geschichte.

SPRECHER:
Durch diese Tür gingen Millionen Raver und DJs aus aller Welt. Darunter Stars wie der Deutsche Paul van Dyk.

PAUL VAN DYK (DJ):
Also, zunächst mal kam man in so ’ne Art Vorraum. Da stand ’ne Bar, da war auch der DJ am Anfang. Dann war [da] so ’n Gitter und da stand dann einfach die Anlage drin und da wurde dann auch entsprechend gefeiert.

DIMITRI HEGEMANN (Gründer des Clubs „Tresor“):
Wenn man da durchging, durch den Raum, und sah einfach diese Stahlgitter oder diese Schließfächer, diese gewaltige Tür, das war beeindruckend.

SPRECHER:
Zeitreise in die 90er-Jahre: Der Club „Tresor“ macht Berlin damals zur internationalen Techno-Hochburg – und die deutsche Hauptstadt als Partymetropole weltbekannt. Bis zu seiner Schließung 2005 legen hier alle damals relevanten DJs auf. Wie Jeff Mills aus Detroit. Und heute weltbekannte Stars wie der Deutsche Paul van Dyk starten im „Tresor“ ihre Karriere.

PAUL VAN DYK:
Es war halt meine allererste Show, das erste Mal, dass ich vor Leuten gespielt hab. Insofern ... ich war halt zu Hause, hab den Bass rausgedreht, alles immer schön leise. Und da stand dann dieses große Bose-Bassrohrsystem. Das heißt, ich hab das erste Mal Sachen in meiner Musik gehört, die vorher gar nicht da waren, und das hat bei mir letztendlich auch ausgelöst irgendwie: Okay, das ist es, das möchte ich machen.

SPRECHER:
Heute ist die Tresortür das erste Objekt einer großen Berlin-Ausstellung, die im Jahr 2020 öffnen soll. Im fast fertigen Nachbau des historischen Berliner Schlosses, dem Humboldt Forum. Hier wird im kommenden Jahr unter anderem eine Ausstellung über Berlin im Austausch mit der Welt gezeigt. Kurator Paul Spies hat die Tür ins Museum geholt.

PAUL SPIES (Chef-Kurator des Landes Berlin im Humboldt Forum):
Das Ding ist Symbol für hundert Jahre Berlin-Geschichte.

SPRECHER:
Denn Anfang des 20. Jahrhunderts schützt die Tür den Tresor des Kaufhauses Wertheim, damals das größte und prächtigste Kaufhaus Europas. Die jüdischen Besitzer werden später von den Nationalsozialisten enteignet, drei von ihnen umgebracht. Im Zweiten Weltkrieg wird das Kaufhaus teilweise zerstört und zu DDR-Zeiten gesprengt.

PAUL SPIES:
Ich find das Ding schön. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber sie hat eine bestimmte Ästhetik. Das ist dieser Industrialismus und so weiter. Der Rost ist wunderbar und so weiter. Diese Patina der Geschichte, das liebe ich.

SPRECHER:
Er hat damals den noch erhaltenen Keller des Kaufhauses nach vielen Jahren Dornröschenschlaf wiederentdeckt – und mit ihm den Tresorraum: Dimitri Hegemann. Mit Freunden sucht er nach dem Mauerfall nach neuen Party-Räumen im Ostteil der Stadt. Zufällig stoßen sie dabei auf die unterirdische Ruine an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze.

DIMITRI HEGEMANN:
Dann hatten wir den Kellerabgang entdeckt, hinter einem Regal. Wow! Wir standen da so mit dem Feuerzeug. Also, ich war sehr ergriffen, alle eigentlich. Weil ... du kamst in einen großen Kellerkomplex und in diesem Kellerkomplex führte ein Weg in einen Raum, in diese Stahlkammer. Und das war was Besonderes. Mir war auch sofort klar: Dieser Ort, der hat das Potenzial, etwas ganz Großes auszurichten.

SPRECHER:
Und so kommt es auch. Der „Tresor“ wird zur Keimzelle der Berliner Techno-Szene und lockt schnell Raver aus aller Welt an. Heute sind die Partys in der ehemaligen Stahlkammer legendär – auch wegen des massiven Trockennebel-Einsatzes.

PAUL VAN DYK:
Also, eigentlich war es meistens so, dass man nicht mehr gesehen hat, mit wem man da jetzt gerade ist, weil es wirklich einfach völlig vernebelt war. Und ja, das Sich-einfach Verlieren in der Musik, und das hat natürlich dann auch vom Optischen her … Wenn man nicht mehr weiß, wer steht vor einem, kannst du auch die Augen zumachen.

SPRECHER:
Der „Tresor“ hat Musikgeschichte geschrieben. Die Tresortür erzählt einhundert Jahre Berlin-Geschichte.

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