Manuskript

Deutschlands größtes Raubtier

Auf der Insel Helgoland werden jedes Jahr Hunderte Kegelrobben geboren. Doch auch wenn die kleinen Robben sehr süß sind – erwachsene Tiere können für den Menschen gefährlich werden. Rangerin Ute Pausch erklärt, warum die Robben ausgerechnet nach Helgoland kommen – und was wir Menschen beachten sollten, wenn wir sie besuchen möchten.

 

SPRECHER:
Sie gilt als Kinderstube der Kegelrobben. Ich besuche die Insel Helgoland, wo jedes Jahr Hunderte Jungtiere geboren und aufgezogen werden.

REPORTER:
Es gibt in der Tat nur wenige Orte, an denen man den Kegelrobben so nah kommen kann wie hier auf Helgoland. Und die sind wirklich viel süßer, als ich gedacht hätte, aber auch viel gefährlicher.

SPRECHER:
Ich bin gut zwei Stunden mit der Fähre unterwegs, bevor ich Deutschlands einzige Hochseeinsel erreiche. Helgoland galt einst als Seeräubernest, bevor es im 19. Jahrhundert zum beliebten Urlaubsziel wurde. Doch ich bin nicht angereist, um die roten Klippen mit der berühmten „Langen Anna“ zu besichtigen. Mich zieht es zur Badedüne, wie die Einheimischen die vorgelagerte Insel nennen. Im Winter kommen weniger Besucher, dafür aber umso mehr Kegelrobben. Und ihretwegen bin ich hier. Manchmal sind es so viele Tiere, dass Rangerin Ute Pausch den Strand zeitweise sperren muss. Um den Robben etwas Ruhe, vor allem aber den Menschen den nötigen Schutz zu bieten. Denn was hier so süß aussieht, ist das größte in Deutschland frei lebende Raubtier. Wir nehmen den eigens dafür angelegten Dünenpfad. Von hier aus können wir ungestört beobachten, warum die Tiere eigentlich da sind. Von November bis Januar ist Wurf- und Paarungszeit.

UTE PAUSCH (Rangerin):
Als Wurfplatz ist es so attraktiv, weil das sturmflutsicher ist. Und das ist ganz, ganz wichtig für die Auswahl eines Wurfplatzes. Die jungen Kegelrobben sind ja erst mal darauf angewiesen, dass sie mindestens drei bis vier Wochen an Land liegen können. Und das zählt.

SPRECHER:
Aus nächster Nähe kann ich verfolgen, wie die Jungtiere gesäugt werden. Nach zwei bis drei Wochen lässt die Kuh ihr Junges allein. Dann sind die Kegelrobben auf sich gestellt.

UTE PAUSCH:
Obwohl sie alle relativ gleich aussehen, gibt’s ängstliche, gibt’s welche, die gleich auf Krawall gebürstet sind, die immer unfreundlich sind. Es gibt welche, die gucken sich alles in Ruhe an. Also vollkommen unterschiedliche Charaktere.

SPRECHER:
Nach einigen Wochen unternehmen die jungen Robben ihre ersten Schwimmversuche. Aber erst, nachdem sie ihr erstes Fell abgelegt haben. Das [Die] weiße, so kuschelig aussehende Lanugo bietet im Wasser nicht genügend Schutz. Mehr als 650 Jungtiere sind diesen Winter hier zur Welt gekommen. So viele wie noch nie. Schon zwei Wochen nach der Geburt sind die Weibchen wieder paarungsbereit. Die Bullen sind zu der Zeit besonders aggressiv. Die bis zu 300 Kilogramm schweren Tiere kämpfen um die Gunst der Weibchen. All das kann ich hier beobachten. Direkt am Strand fühle ich mich an der Seite von Ute Pausch sicherer.

UTE PAUSCH:
Der Größere ist auf jeden Fall ein junger Bulle. Ja, leider ist er gerade dabei, ein Jungtier zu … begatten zu wollen. Die wirken niedlich, aber sie sind es nicht.

SPRECHER:
Jetzt weiß ich auch, warum man 30 Meter Abstand halten soll.

REPORTER:
Also, ich mein, die beißen dann, oder wie?

UTE PAUSCH:
Die beißen, ja! Ich würde sagen, so ein Bein von unserer Sorte kann da einfach durchgebissen werden.

REPORTER:
Ehrlich?

UTE PAUSCH:
Ja!

SPRECHER:
Nach der Aufzucht- und Paarungszeit verlassen die Robben nach und nach die Insel und sind nur noch vereinzelt zu sehen. Bis zum nächsten Winter.

REPORTER:
So viele Kegelrobben hier in der freien Natur zu erleben, ist wirklich beindruckend, vor allem die kleinen Babys, die sind wirklich, wirklich süß. Aber wenn man denen so nah kommt, merkt man, dass es in der Tat supergefährliche Raubtiere sind. Und deswegen schaue ich mir die lieber aus sicherer Entfernung an.

SPRECHER:
Da ich auf das Streicheln aber nicht verzichten will, habe ich mir von meinen Töchtern ein echtes Kuscheltier ausgeliehen.