Manuskript

Die Schneekugel – eine Erfindung aus Wien

Der Wiener Erwin Perzy stellt Schneekugeln in dritter Generation her. Sein gleichnamiger Großvater hat dieses berühmte Souvenir im Jahr 1900 sogar erfunden. Er war Mechaniker für Chirurgie-Instrumente und erfand die Schneekugel zufällig. Erwin Perzy III. führt mit Frau und Tochter den Familienbetrieb in Wien. Mit Liebe zum Detail schafft er es, neben der globalen Billigkonkurrenz zu bestehen.

ERWIN PERZY III. (Werkzeugbauer):
Man darf die Schneekugel nicht schütteln, sondern man muss sie auf den Kopf stellen, warten, bis der Schnee zusammenkommt, und dann umdrehen, und dann schneit’s richtig.

SPRECHER:
Erwin Perzy III. kennt alle Geheimnisse rund um die Schneekugel. In dieser Werkstatt in Wien hat schon sein Großvater, Erwin Perzy I., experimentiert. Er war Mechaniker für Chirurgie-Instrumente – und Erfinder. Mit einer Glaskugel voll Wasser wollte er eigentlich das Licht für den Operationssaal verstärken.

ERWIN PERZY III.:
Mein Großvater hat vor 121 Jahren genau durch reinen Zufall die Schneekugel erfunden. Er hat in der Küche von seiner Mutter Grieß gefunden, hat den Grieß in dieses Wasser hineingegeben, und der Grieß hat sich mit Wasser angesoffen und ist so ganz langsam zu Boden geschwebt. Und wie er das gesehen hat, hat er sich gedacht: Das sieht aus, als ob es in dieser Kugel schneit. Und das war die Basisidee für die Schneekugel.

SPRECHER:
In der Werkstatt fand sein Großvater zudem eine Miniatur der österreichischen Wallfahrtskirche Mariazell. Mit Schuhpaste bemalte er einen Sockel und klebte die Kirche in die Mitte der Glaskugel. Im Jahr 1900 ließ er sich die erste Schneekugel der Welt patentieren. Mit der Wiener Rezeptur rieseln die Flocken besonders sanft.

ERWIN PERZY III.:
Erst mein Vater hat dann die Mischung hergestellt vom Schnee, die wir heute noch verwenden. Und das ist mein persönliches Geheimnis, das weiß momentan nur ich.

SPRECHER:
Rund 200.000 Kugeln werden jedes Jahr in der Wiener Manufaktur hergestellt. Fast alle Einzelteile stammen aus lokaler Produktion. Die Figuren werden in Handarbeit gefertigt. Dazu wird flüssiger Kunststoff in Metallformen gegossen und gepresst. Seit vergangenem Jahr arbeitet Familie Perzy zusätzlich mit 3D-Druck.

ERWIN PERZY III.:
Diese Daten werden dann an den Drucker geschickt, und der Drucker produziert dann Schicht für Schicht die Figur. Ein paar Pinguine, ein Engel.

SPRECHER:
Tochter Sabine Perzy II. führt seit Kurzem den Betrieb in vierter Generation weiter – als erste Frau in der Familiengeschichte. Die Zukunft des Unternehmens sieht sie positiv: Tradition ist bei den Kunden beliebt.

SABINE PERZY II. (Werkzeugbautechnikerin):
Zurück zum Ursprung – man will wissen, was man konsumiert, wo die Sachen herkommen, die man kauft. Bei einer jeden Schneekugel, die dieses Haus verlässt, lässt sich zurückverfolgen: Wer hat das produziert? Diese Kugel hat ein Gesicht, und das sind wir, das ist meine Familie.

SPRECHER:
Auch Erwin Perzys Ehefrau bemalt täglich mehrere Dutzend Kugeln. Viele Kunden geben Motive in Auftrag. Um gegenüber Nachahmern und Billigproduzenten bestehen zu können, setzt die Familie auf Originalität und beweist bei der Umsetzung Humor – auch in der Corona-Krise.

SABINE PERZY II.:
Also, das ist die berühmteste Schneekugel vom Jahr 2020. Unsere Schneekugel mit dem Toilettenpapier war der Verkaufsschlager: Die Leute sind auf der Gasse draußen Schlange gestanden, um so eine Schneekugel zu bekommen.

SPRECHER:
Direkt neben der Werkstatt befindet sich das familieneigene Schneekugel-Museum. Die Wiener Schneekugel ist ein wahrer Exportschlager. Sogar drei ehemalige US-Präsidenten haben ein exklusives Exemplar im Regal stehen – so wie etwa diese Kugel der Familie Obama, ein Gastgeschenk einer Wienerin für das Weiße Haus.

SPRECHER:
Mehr als 350 Motive gehören mittlerweile zum Sortiment.

ERWIN PERZY III.:
Wenn man da reinschaut, ist das eine richtig schöne heile Welt. Und das ist meine Welt seit mehr als vierzig Jahren.

SPRECHER:
Und mit Sicherheit der schneesicherste Ort Österreichs.

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