Manuskript

Ein Altersheim für Kühe

In Norddeutschland gibt es ein Altersheim für Kühe. Tiere, die sonst auf dem Schlachthof gelandet wären, können dort in Ruhe ihre letzten Jahre verbringen. 38 Rinder werden derzeit auf dem Hof versorgt – und auch ein paar Schweine. Das Projekt hat viele Unterstützer und wird durch Spenden finanziert.  

 

SPRECHER:
Morgens auf Hof Butenland.

KARIN MÜCK (Gründerin des Kuhaltersheims Hof Butenland):
Rosa, Frederik – Essen!

SPRECHER:
Karin Mück ist keine Bäuerin, sie pflegt Tiere. Schwein Frederik ist von einem Tiertransporter in die Freiheit gesprungen, Rosa stammt aus einer Mastanlage, dort vegetierte sie schwerkrank vor sich hin. Zusammen mit ihrem Lebenspartner Jan Gerdes kümmert sie sich in erster Linie um Kühe, die nach vielen Jahren in der Landwirtschaft eigentlich beim Schlachter gelandet wären. Auf Hof Butenland können die Tiere ihre letzten Jahre in Ruhe verbringen.

KARIN MÜCK:
Wir haben hier das Essen vorbereitet für die alten Damen und Herren aus der, ja, Pflegeabteilung, kann man sagen. Die leiden alle unter Arthrose und schaffen es nicht mehr, mit der großen Herde mitzulaufen.

SPRECHER:
Als Spinner werden sie von manch einem Landwirt in der Gegend abgetan. Doch ihr Projekt hat inzwischen so viele Unterstützer, dass sie mit den Spenden gut für ihre 38 Rinder sorgen können. Kuh Marieke ist ein Pflegefall. Sie hat 12 Jahre lang im Stall gestanden, Anbindehaltung heißt das im Fachjargon. Mehr als 100.000 Liter Milch hat sie in dieser Zeit gegeben. Kuhpflegerin Mück findet es grausam, dass in der Milchwirtschaft die Tiere oft wie Maschinen behandelt werden. Die Verbraucher wissen einfach zu wenig, meint sie.

KARIN MÜCK:
Es gibt eben so viele Märchen, beispielsweise ‘ne Kuh gibt eben immer Milch. Dass die dafür erst mal ein Kalb bekommen muss - und in der heutigen Industriehaltung ist es ja so, sie wird ja auch noch zwangsbesamt, sie kriegt das ja nicht freiwillig -, dann wird ihr das Kalb weggenommen, damit wir Milch trinken können.

SPRECHER:
Ihr Partner Jan Gerdes hatte den elterlichen Hof zunächst als Biobauer weitergeführt, bis er ganz aus der Landwirtschaft ausgestiegen ist. Andere Landwirte kritisieren ihn dafür: Sie müssten hart arbeiten, während er doch nur Spenden einsammeln würde. Doch das lässt er nicht gelten.

JAN GERDES (Gründer des Kuhaltersheims Hof Butenland):
Ohne EU-Agrarsubventionen würde eigentlich weit und breit kaum noch ein Bauer zurechtkommen. In meinen Augen sind das ja auch Spenden, die vom Staat kommen. Und da muss der Steuerzahler - der muss sozusagen zwangsweise das Geld zur Verfügung stellen, und die Spenden, die wir bekommen, sind ja absolut freiwillig.

SPRECHER:
Die tägliche Schlacht am kalten Heu-Büfett. Ihre Rinder zeigen Gefühle wie Freude und Trauer, sagt das Paar. Die Tiere leben im Familienverbund, streiten sich und schließen Freundschaften. Die Herde kann sich auf rund 20 Hektar Weideland frei bewegen. Das Projekt soll nachdenklich machen.

KARIN MÜCK:
Das andere ist aber auch sicher, dass wir nicht mit dem Zeigefinger kommen, dass wir nicht sagen: ‚Du bist böse, weil du das und das machst‘ – oder dass wir blutige Bilder aus dem Schlachthof zeigen, sondern dass wir das mit Humor machen, also, dass ich einfach positiv versuche zu vermitteln, wie toll Rinder sind, wie schön sie sind, dass man lustige Dinge mit ihnen erlebt – so wie jetzt. War klar, danke.

SPRECHER:
Ein Butenländer hat es Karin Mück besonders angetan: Ole. Als Kalb musste er mit einem Zirkus durch die Lande ziehen, bis das Veterinäramt eingeschritten ist. Statt zum Schlachthof kam der junge Ochse nach Butenland. Und hier bekommt er nun regelmäßig seine Kuscheleinheiten, ohne dafür Kunststücke zeigen zu müssen.
 

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