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Ein kleiner Markt: fair gehandelte Fußbälle

Das Fairtrade-Siegel ist vor allem aus der Nahrungsmittel- und Textilindustrie bekannt. Wer Fairtrade kauft, zahlt meist etwas mehr Geld für die Produkte und bekommt dafür fair angebaute, gehandelte oder produzierte Ware. Für Fußbälle hat das Fairtrade-Logo bislang noch keine große Bedeutung. Eine Firma in der pakistanischen Stadt Sialkot möchte das ändern und anderen Produzenten ein Vorbild sein.
 

SPRECHERIN:
Fußball – ob Kinder, Jugendliche, die in ihrer Freizeit spielen, oder die Profis in der Bundesliga: ein weltweiter Sport, ein globales Geschäft! Milliarden werden umgesetzt. Aber wo kommen die Fußbälle eigentlich her? Ein Großteil aus Sialkot in Pakistan: Die Stadt ist das weltweite Zentrum der Fußballherstellung, und das seit Jahrzehnten. Fast 25.000 Menschen hier arbeiten allein in der Sportwarenindustrie. Viele Jahre wurden die Bälle nur per Hand gestickt, doch das hat sich geändert, zumindest hier bei der Firma Bola Gema. 160.000 Fußbälle produzieren sie pro Jahr, immer mehr auch maschinell. Die Branche litt jahrelang unter einem schlechten Ruf. Bälle wurden mit nach Hause genommen und von Familien, teilweise auch Kindern, in Handarbeit hergestellt. In diesem Unternehmen ist es anders.
 

WASEEM LODHI (Geschäftsführender Partner von Bola Gema):
Wir produzieren alles bei uns im Unternehmen. Nur Angestellte über 18 Jahre können bei uns arbeiten. Wir wollen qualitativ hochwertige Bälle produzieren. Daher müssen wir unseren Leuten gute Bedingungen und Löhne geben.
 

SPRECHERIN:
Deshalb hat Bola Gema sich 2015 mit Fairtrade zertifizieren lassen – ein internationales Siegel, das faire Arbeitsbedingungen bescheinigt.
 

CLAUDIA BRÜCK (Vorstand Fairtrade Deutschland):
Ein Betrieb, der Fairtrade-zertifiziert ist, muss mit seinen Arbeitnehmern und
-nehmerinnen Arbeitsverträge abschließen. Die müssen sich über Arbeitszeiten verständigen. Es sind bessere Arbeitsbedingungen, es ist Anspruch auf Vertretung im Unternehmen, es ist Anspruch auf Krankengeld oder Anspruch auf Mutterzeiten. Das sind alles Bedingungen, die im gesamten Betrieb eingehalten werden müssen.
 

SPRECHERIN:
Bei Derbystar, dem Fußball-Lieferanten der Bundesliga, kommen die Bälle zu 100 Prozent aus Pakistan. Zu Spitzenzeiten werden fast 100.000 Stück monatlich aus der Zentrale in Deutschland verschickt. Kinderarbeit schließen sie bei ihrem Partnerunternehmen in Pakistan aus.
 

JOACHIM BÖHMER (Geschäftsleiter Derbystar):
Das kann man insofern kontrollieren, indem man halt diese Heimarbeit, wie sie früher mal gewesen ist in Pakistan auch, eben unterbindet beziehungsweise verbietet. Wir haben schon seit fast 20 Jahren Nähzentren eröffnet, wo wir praktisch den Nähprozess unter Kontrolle haben.
 

SPRECHERIN:
Aber gibt es tatsächlich einen Wandel in der Branche? Noch immer wird nur ein Bruchteil an Fußbällen unter Fairtrade-Bedingungen produziert. Der Bürgermeister von Sialkot versichert, die Arbeitsbedingungen hätten sich verbessert. Der Druck von außen war groß.
 

TOHEED AKHTAR CHAUDHRY (Bürgermeister von Sialkot):
Zum Beispiel ist das Niveau der Einhaltung von Vorschriften in Sialkot nirgendwo sonst in Pakistan zu finden. Unsere Käufer zahlen für Sozialversicherung und Altersvorsorge, die wir an unsere Mitarbeiter weitergeben. Diese Dinge gab es vorher nicht. Da wir sozialverträglich geworden sind, ist die Preisgestaltung damit auch wettbewerbsfähig geworden.
 

SPRECHERIN:
Trotzdem: Der Geschäftsleiter von Derbystar sagt, Fußbälle mit dem Fairtrade-Siegel bleiben die Ausnahme. Sie kosten im Schnitt fünf bis zehn Prozent mehr. Auch der Bundesliga-Fußball ist nicht Fairtrade gesiegelt.
 

JOACHIM BÖHMER:
Der Anteil der verkauften Bälle ist relativ verschwindend gering. Es sind ungefähr vier, fünf Prozent des gesamten Verkaufs oder der gesamten verkauften Menge. Es liegt immer ein bisschen daran, dass dieser, glaube ich, dieser Fairtrade-Charakter bei dem Handel, wo unser Vertriebsweg ist, nicht so stark wahrgenommen wird – und auch bei den Vereinen nicht, wie wir es vielleicht uns alle wünschen.
 

SPRECHERIN:
Zurück nach Pakistan zu Bola Gema: Das Unternehmen sagt, es möchte stellvertretend für die Branche ein Vorbild sein, doch das Problem sind die Kunden. Sie seien noch nicht bereit, mehr für den Ball zu bezahlen.
 

WASEEM LODHI:
Außerhalb der EU und der skandinavischen Länder schätzen die Käufer Fairtrade aufgrund des Preisdrucks nicht. Wir wollen weiterhin ein Vorbild für den fairen Handel sein, sodass wir nicht nur zusätzliche Vorteile für unsere Arbeiter schaffen, sondern auch die Arbeiter selbst sich mehr auf die fair gehandelten Produkte konzentrieren. Denn sie wissen, dass diese Produkte zusätzliche Prämien und Vorteile für sie bringen.
 

SPRECHERIN:
Pakistan hat es geschafft, sich als Fußballproduzent durchzusetzen. Arbeitsbedingungen haben sich in den letzten zehn Jahren stark verbessert.

Doch die Gefahr, dass Teile der Produktion aus dem Land in noch günstigere Gebiete wie zum Beispiel China oder Myanmar abwandern, wo faire Arbeitsbedingungen kaum eine Rolle spielen oder nur selten kontrolliert werden können, ist groß.

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