Manuskript

Flamenco für mehr Vielfalt und Toleranz

Flamenco galt lange als Tanz der Frauen. Der weltberühmte Flamencotänzer Manuel Liñán und sein männliches Ensemble durchbrechen die traditionellen Geschlechterrollen. Durch ihre Neuinterpretation des andalusischen Tanzes setzen sie sich für mehr Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft ein.

SPRECHER:
Eine sehr eigene Liebeserklärung an den andalusischen Tanz: Flamenco – das ist pure Weiblichkeit. Doch hier tanzen ausschließlich Männer.

MANUEL LIÑÁN (Flamencotänzer und Choreograph):
Für mich ist Tanz eine Sprache, die keine Grenzen hat und dem Gefühl folgt und mir ermöglicht, mich mitzuteilen. Für mich ist das eine ehrliche Sprache.

SPRECHER:
Mit der Show „VIVA!“ feiert Manuel Liñán die Freiheit der Bewegung und des Ausdrucks. Gemeinsam mit seinem männlichen Ensemble durchbricht er dabei die Geschlechterrollen des traditionellen Flamenco. Die Show hat er selbst geschrieben und choreographiert. Eine Szene handelt von seiner Kindheit, als er als tanzender Junge in Frauenkleidern ausgegrenzt wurde.

MANUEL LIÑÁN:
Als ich klein war, machten sich alle über mich lustig. Ich fühlte, dass ich nicht die Rolle erfüllte, die gesellschaftlich von mir erwartet wurde. Also habe ich mich in meinem Zimmer eingeschlossen. Und dort, in diesem kleinen Zimmer, konnte ich meiner Vorstellung freien Lauf lassen. Ich konnte mich verkleiden und mich so frei bewegen, wie es mir draußen als Mann verwehrt blieb.

SPRECHER:
Heute gilt Manuel Liñán als einer der besten Flamencotänzer der Welt. Bereits kurz nach seiner Tanzausbildung trat er mit den renommiertesten Ensembles des Landes auf. Seinen Ursprung hat der Flamenco im spanischen Andalusien des 19. Jahrhunderts. Typisch sind die prachtvollen und figurbetonten Kleider. Es ist vor allem ein für Andalusien identitätsstiftender Tanz. Manuel Liñán erforscht durch den Flamenco das eigene Selbst und interpretiert den Tanz immer wieder neu – so wie 2018 in „Baile de Autor“, zu Deutsch „Autorentanz“. Wie ein Magier zaubert er Traumwelten auf die Bühne und nimmt das Publikum auf eine Reise durch sein Unterbewusstsein mit. Dass er immer wieder bewusst mit den Geschlechterrollen bricht und damit provoziert, bringt ihm Anerkennung beim Publikum und in den Kritiken.

MANUEL LIÑÁN:
Natürlich freut uns das. Aber ich stelle fest, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, bis die Gesellschaft akzeptiert, dass jeder Mensch seine eigene Identität und Ästhetik hat. Da hat sich zwar schon etwas getan, aber der Weg ist noch sehr weit.

SPRECHER:
Tanz als Appell für mehr Toleranz: Den Anfang für eine Veränderung haben Manuel Liñán und sein Ensemble schon mutig geschafft.