Manuskript

Hologramme als Zirkustiere

Der Zirkus ist ein Ort des Staunens: Viele Menschen sehen dort Dinge, die sie so vorher noch nie gesehen haben. Der Zirkus Roncalli arbeitet nun als erster Zirkus nicht mehr mit echten Tieren, sondern mit Hologrammen.

SPRECHER IM ZIRKUS:
Am Anfang war das Pferd.

REPORTER:
Pferde aus Goldstaub oder ein Elefant, der Kunststücke macht. Alles ohne den Einsatz lebender Tiere. Das deutsche Traditionsunternehmen Roncalli führt mit Hologrammen den Zirkus in ein neues Zeitalter. Für Direktor Bernhard Paul ist Wandel ein Teil des Geschäfts.

BERNHARD PAUL (Zirkusdirektor):
Es gibt halt nicht mehr grüne Wiesen, wo man mit dem Zirkus gastiert, sondern man gastiert auf irgendeinem Innenstadtparkplatz oder so etwas. Also, die Lebensumstände für Tiere haben sich geändert. Deswegen muss man auch dem Rechnung tragen. Man muss die Welt beobachten und auch die Veränderungen und die Kurskorrekturen vollziehen immer wieder.

REPORTER:
Zu Beginn der Show sind Hologramme die Stars der Manege.

CLOWN (Hologramm):
Herzlich willkommen im Zirkus Roncalli.

REPORTER:
Dann geht es real weiter.

CLOWN (real):
Manege frei! Das Spiel beginnt!

REPORTER:
In Lübeck ist der Zirkus mit dem Programm „Storyteller – Gestern, Heute, Morgen“ zu Gast. Das Konzept: die romantische Welt des Zirkus ins 21. Jahrhundert zu transportieren. Für die Zukunft steht neben den Hologrammen ein Artist, der mit einem Industrieroboter interagiert.

BERNHARD PAUL (Zirkusdirektor):

Zirkus muss überraschen. Man darf nicht da sitzen und sagen: „Ich weiß genau, was jetzt kommt.“ Man muss sagen: „Was ist das? Das hab ich noch nie gesehen!“ Dampfmaschine, Auto, elektrisches Licht und so weiter - das wurde im Zirkus als Erstes gebracht als Sensation, und wir bringen jetzt die Holographie in den Zirkus.

REPORTER:
Markus Strobl kontrolliert vor jeder Show die Technik und die Projektionsfläche: Elf computergesteuerte Laserbeamer projizieren Bilder auf ein hauchdünnes metallisches Netz. Die Investition in die Zukunft ließ sich der Zirkus rund 500.000 Euro kosten.

MARKUS STROBL (Leiter Technik und Medien):
Hier haben wir schon einen Schaden bereinigt. Und da haben wir eine Schneiderin, die näht dann einen Nylonfaden. Aber das ist wirklich natürlich für Kinder – die sitzen in der ersten Reihe und denken sich: „Boah, ich möchte mal da hinfassen.“

REPORTER:
Eine auf Extended Reality – also erweiterte Realität – spezialisierte Firma im Ruhrgebiet war für die Umsetzung verantwortlich. Idee und Konzept stammen von Roncalli. Zunächst wurden am Computer 3D-Animationen der Figuren modelliert. Auch das Zirkuszelt hat das Team um Birger Wunderlich virtuell nachgebaut. So konnte der Blickwinkel der Betrachter zur Projektionsfläche und den Animationen errechnet werden.

PIERRE BIRGER WUNDERLICH (Digital Artist):
Tatsächlich ist so ein Elefant von der Oberflächenstruktur auch sehr, sehr aufwendig. Das heißt, natürlich haben wir Elefantenfotos, die dort als Textur draufliegen. Aber so ein Elefant hat auch Härchen, das heißt, wenn man nachher diesen Elefanten mal in der Manege sich anschaut, der hat über 40.000 Härchen – das zu modellieren oder beziehungsweise zu rendern, das macht das Ganze schon spannend.

REPORTER:
Im 300 Quadratmeter großen Studio wurden die Hologramme getestet. Hier kann ein Viertel ihrer Originalgröße abgerufen werden. Nicht alle Figuren sind Teil der aktuellen Show.

PIERRE BIRGER WUNDERLICH (Digital Artist):
Also, Interaktion macht das Ganze natürlich viel, viel spannender in Zukunft. Das heißt, die Artisten können direkt mit den holografischen Elementen interagieren. Sie können wie ein Künstler mit den Elementen neue Arrangements gestalten, Welten zusammenstellen und sich dann durch diese Welten bewegen.

REPORTER:
Für die aktuelle Tournee wurde Zirkusdirektor Bernhard Paul vor grünem Hintergrund gefilmt und dann in einen virtuellen Ballon animiert. Doch fehlt den Zuschauern bei den Hologrammen nicht das Zirkusgefühl, der Reiz des Spontanen? Oder ist tierfrei einfach zeitgemäß?

ZUSCHAUERIN 1:
Ich find’s gut, dass Tiere weggelassen sind [werden], weil es ist nicht artgerecht. Und ich find’s eigentlich gut, wenn man Tiere live sehen möchte, sollte man gucken, dass man in einen Tierpark geht.

ZUSCHAUERIN 2:
Das war so atemberaubend irgendwie, dass das auch so losging, also, das hat mir echt gut gefallen. Das Ganze hab ich noch nie vorher so gesehen.

ZUSCHAUER 1:
Mir fehlt die klassische Roncalli-Romantik, wie ich sie bisher erlebt habe, und das Hologramm und die Technik ist [sind] es eben nicht.

MÄDCHEN:
Es hat irgendwie der Pferdegeruch gefehlt ein bisschen … bei den Pferden, aber ich fand's eigentlich ganz gut.

ZUSCHAUERIN 3:
Es ist toll gemacht, muss ich wirklich sagen. Bei dem Elefanten hat man das Gefühl, er sitzt einem gleich auf dem Schoß – so realistisch, so toll kommt das rüber.

REPORTER:
Bei der nächsten Tournee sollen die virtuelle und die reale Welt noch mehr miteinander verschmelzen. Eines steht fest: Der Zirkus bleibt auch in Zukunft eine magische Welt voller Überraschungen.

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