Manuskript

Hotelzimmer ohne Dach und Wände

Ein Bett mitten auf einer Wiese in den Bergen – das ist das Null-Stern-Hotel in der Schweiz. Die Idee stammt von den Künstlern Frank und Patrik Riklin. Das Bett ist eine Mischung aus Kunst und Hotel. Die Gäste schlafen gerne unter freiem Himmel. Es ist die Erfahrung eines neuen, anderen Luxus.

SPRECHER:
Der Gipfel Göbsi bei Gonten mitten in der Schweiz. 1.200 Höhenmeter, zwei Künstler, ein Berg und ein Bett. Unter freiem Himmel steht ein Hotelzimmer, das ganz ohne Dach und Wände auskommt: das Null-Stern-Hotel – ein Konzept der Künstler-Zwillinge Frank und Patrik Riklin.

FRANK RIKLIN (Künstler):
Beim Null-Stern-Hotel da ist ja genau das Interessante, dass viele Leute nicht mehr wissen, was es jetzt ist. Ist es jetzt Kunst, ist es Tourismus, ist es Innovation? Das ist eigentlich das Spannende daran, dass wir die Leute auch ein bisschen verunsichern.

SPRECHER:
Keine Wandtapete, sondern die grandiose Kulisse rund ums Bett zieht Menschen aus der ganzen Welt an.

PATRIK RIKLIN (Künstler):
Wir haben dieses Bett inszeniert, gebaut und dann eröffnet, und ab dem Moment war es eigentlich voll gebucht.

FRANK RIKLIN:
Das ist eben der Witz dieser Umdrehung: Null Sterne bedeutet ja nicht Verzicht auf Luxus, sondern eben das Erfahren eines anderen, neuen Luxus.

SPRECHER:
Hier im Appenzellerland hatte Almbauer Köbi Dietrich bisher wenig mit Kunst zu tun. Jetzt ist er mittendrin – als Empfangschef und Butler.

KÖBI DIETRICH (Almbauer):
Ich habe zuerst nicht gedacht, dass daraus so eine Geschichte wird für mich. Ich bin gerne ein Teil von diesem Bett.

SPRECHER:
Jeden Abend nach dem Kühemelken wird der Almwirt Teil des Kunstprojektes.

PATRIK RIKLIN:
Die Idee war: Wie kann man ein Konzept, das natürlich Kunst ist, ins Leben rufen und [wie können] die Spieler, die Player, also die Menschen, die um dieses Kunstwerk leben, Teil davon werden? Ohne ihn wäre das viel zu klassisch, also er springt eigentlich oder hüpft oder …

FRANK RIKLIN:
schlüpft

PATRIK RIKLIN:
… schlüpft eigentlich in dieses Kunstwerk hinein. Also wenn man jetzt als Künstler spricht, ist Null Stern wie ein Bild, das aber lebt.

SPRECHER:
Ein einsamer Almbauer, der hier im Sommer mit Frau, Kindern und Kühen lebt, bekommt urplötzlichjeden Tag neuen Besuch und er genießt es – erstaunlicherweise.

KÖBI DIETRICH:
Zwei Paare haben sich hier den Heiratsantrag gemacht. Eins ist mit dem Helikopter gekommen. Ich war dabei und habe Gänsehaut gekriegt. Das war richtig schön und dann hat sie auch noch „ja“ gesagt. Ich habe sowas noch nie so hautnah erleben dürfen, was ich jetzt hier erlebe.

SPRECHER:
Rund 260 Euro kostet die Freiluftübernachtung mit Bergblick und Frühstück. Die neuen Gäste kommen. Die beiden Freunde leben in Genf und haben eine kurzfristig frei werdende Nacht ergattern können. Und sie sind die ersten Gäste, die die Künstler hier persönlich treffen.

RAPHAEL TAMMAN (Gast):
Ich denke, das ist die beste Idee auf der ganzen Welt. Es ist toll.

SPRECHER:
Und so fühlen sich die beiden schnell heimisch. Schon schwebt Raphael Tammans Drohne über ihnen, um das Alpenfeeling festzuhalten.

RAPHAEL TAMMAN:
Es ist genial. Ich war’s, der dir gesagt hat, wir sollen hierherkommen.

ANDREA TASSISTRO (Gast):
Wer kann schon so einschlafen, inmitten der schönsten Berge der Welt mit einem solchen Sonnenuntergang?

RAPHAEL TAMMAN:
Ich kann es noch nicht realisieren. Ich denke, ich brauche ein wenig Zeit. Es ist unwirklich.

SPRECHER:
Das Fernsehprogramm: Wetterprognose, Witze oder Musik, analog von Mensch zu Mensch. Künstlerische Kritik am Digitalisierungswahn. Der einzige Star hier ist der Gast. Das ist die Null-Stern-Philosophie.

FRANK RIKLIN:
Wenn man sieht, wie die Leute dann reagieren, wie sie in diesem Kunstwerk dann eben sich auch bewegen und begeistert sind, dann begeistert das auch uns selber. Also, wir merken dann, dass dieses Konzept lebt.

SPRECHER:
Am Morgen kommt der Regen. Die Gäste müssen in die Ersatzunterkunft umziehen in die Almhütte von Bauer Köbi Dietrich. Zum Frühstück gibt es Eier, Milch und Schinken vom Hof. Auch alles andere kommt aus der Region.

ANDREA TASSISTRO:
Es ist ein Traum, und dann wird man morgens wach, und es ist kein Traum.

RAPHAEL TAMMAN:
Das war schon eine Erfahrung. Ich habe unglaublich gut geschlafen, das Bett war superbequem. Es war angenehm. Es gab ein paar Mücken, aber man gewöhnt sich dran.

SPRECHER:
Kommerzielle Angebote für ihr Konzept – sogar einen Millionendeal – haben die Künstler abgelehnt. Wie es weitergeht mit dem Null-Stern-Hotel, lassen sie offen.

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