Immer noch heiß diskutiert: Karl Marx
Vor 200 Jahren wurde Karl Marx in Trier geboren. Zu diesem Jubiläum bekam die Stadt eine Geschenk aus China: eine große Marx-Statue. Die einen freuen sich darüber, andere möchten kein kommunistisches Symbol in ihrer Stadt haben – schon gar nicht aus China. Finanziell lohnt sich der 200. Geburtstag von Karl Marx auf jeden Fall, denn das Geschäft mit Souvenirs läuft gut.
SPRECHER:
Da ist er wieder: Karl Marx in seiner ganzen revolutionären Pracht – die Ikone des Kommunismus in Bronze. Und das Beste: Zum Geburtstag gibt’s die Statue gratis – Chinas Geschenk an die Trierer.
WU WEISHAN (Bildhauer):
Es ist ein Symbol für die zukunftsträchtige Freundschaft zwischen Deutschland und China!
SPRECHER:
Wenn das so einfach wäre: Die rechtspopulistische AfD gibt Kontra, wenn auch diesmal schweigend. Ausgerechnet die Partei, die sonst fremdenfeindliche Sprüche klopft, pocht auf Menschenrechte. Für die Opfer des Kommunismus erklärt sie Karl Marx verantwortlich und will ihn vom Sockel stoßen.
SPRECHER:
Drei Straßen weiter: das Gegenteil. Sozialisten, Kommunisten, Marxisten feiern ihr Idol und drohen: Die Revolution steht unmittelbar bevor – mal wieder.
DEMONSTRANT:
Ich sehe das natürlich so, dass die marxsche Weltanschauung hochaktueller denn je ist.
SPRECHER:
Als am Marx-Denkmal die dazugehörigen Flaggen auftauchen, da wird deutlich, dass es noch immer ein schwieriges Verhältnis ist zwischen Marx und den Trierern.
MANN 1:
Es wird ein Wallfahrtsort werden für alte und neue Kommunisten. Das hat heute schon begonnen an dieser Stelle.
MANN 2:
Unfug! Ich will keinen Faschismus, weder von rechts noch von links.
MANN 1:
Ja, ich auch nicht!
MANN 2:
Na, Ihre AfD ist doch ganz nah dran!
MANN 3:
Haben Sie dafür gestimmt, für diesen ...
MANN 2:
Ist doch ganz nah dran!
SPRECHER:
Die Chinesen lässt der Krawall kalt, sie sind ja zum Glück für die Demonstranten hier in Trier nicht zuständig. Die Stadt empfängt die Delegation wie bei einem Staatsbesuch. Auch darüber wird in Trier gestritten: Biedert man sich zu sehr an, muss man nicht viel mehr Distanz zeigen zu dem Land, in dem Menschenrechte wenig zählen?
WOLFRAM LEIBE (Oberbürgermeister von Trier):
Wenn wir unsere deutschen Maßstäbe anlegen und nur mit Staaten reden, die die gleichen Maßstäbe erfüllen im Sinne von Pressefreiheit und, und, und, dann sind wir ziemlich alleine auf der Welt.
SPRECHER:
Ein Kopf aus Marx-Zitaten – das deutsche Präsent fordert viel vom chinesischen Gast.
GUO WEIMIN (Vize-Informationsminister China):
Um das zu genießen, brauchen wir Leute, die sich mit Marxismus auskennen.
SPRECHER:
Und die sind im heutigen China wohl seltener anzutreffen als in Trier: der Oberbürgermeister – ein gefragter Mann im chinesischen Staatsfernsehen. Er ist stolz auf den größten Sohn der Stadt.
REPORTER:
Trier ist das neue Karl-Marx-Stadt?
WOLFRAM LEIBE:
Trier ist nicht das neue Karl-Marx-Stadt. Trier ist 2000 Jahre alt, die älteste Stadt Deutschlands. Aber Karl Marx gehört zu Trier dazu.
SPRECHER:
Eine Karl-Marx-Straße gibt es hier schon länger, allerdings etwas verschämt in einer eher finsteren Ecke am Rande Triers. Jetzt bekennt man sich offensiv zum Marx-Marketing: Die Andenken-Läden machen Kasse mit allen möglichen Souvenirs zum Jubiläum.
NORBERT KÄTHLER (Tourismus- und Marketing-Manager Trier):
Ein schönes Beispiel ist unser Null-Euro-Schein. Marx hat gesagt, er würde das Geld am liebsten abschaffen, weil er konnte ja auch selber nicht besonders gut mit Geld umgehen. Und insofern bezieht sich dieser Null-Euro-Schein – ich sag mal, in einer ironischen Weise – auch auf Marx und auch auf Marx’ Geldtheorie.
SPRECHER:
Was Marx selbst nie geschafft hat: Kapital schlagen aus dem „Kapital“ und manch anderen Devotionalien. So viel Geschäftssinn verwirrt dann selbst die chinesischen Gäste.
SHI MINGDE (Botschafter China):
Unser Entwicklungsziel lautet: Bis 2035 eine grundlegende Modernisierung des Kapital… des Sozialismus erreichen.
SPRECHER:
Oder doch umgekehrt? Der neue Marx „Made in China“ wird wohl auch das verkraften – nicht nur in Trier.