Schulvergleich: privates Internat und staatliche Schule
Björk Lucas geht auf eine Privatschule, Tom Colm auf eine staatliche Schule. Während die Privatschule moderne Ausstattung und saubere Materialien und Räume bietet, fehlt es an der staatlichen Schule an Lehrern und Equipment. Auch die Gebäude müssten dringend saniert werden, doch es fehlt an Geld. Haben Tom und Björk auf ihren unterschiedlichen Schulen auch unterschiedliche Chancen auf Erfolg im Leben?
SPRECHER:
Louisenlund: einst Sitz eines Herzogs, heute ein privates Internat.
BJÖRK LUCAS (Schülerin):
Es ist alles neuer. Also die Kittel sind noch sauber, die Brillen sind nicht zerkratzt und man kann mit den ganzen Sachen arbeiten.
SPRECHER:
Die Bertold-Brecht-Oberschule: gebaut vor fast 30 Jahren – staatlich.
TOM COLM (Schüler):
Man integriert zu wenig die modernen Sachen. Man benutzt immer noch Schulbücher. Man schreibt immer noch mit Kreide.
SPRECHER:
Wer nach Louisenlund will, braucht reiche Eltern – oder ein Stipendium wie Björk Lucas. Seit der neunten Klasse geht sie auf das Gymnasium. Sie und ihre Mitschüler sind in der Schwerpunktklasse Chemie, Bio und Physik. Vor zwei Jahren wechselte sie von einem öffentlichen Gymnasium hierher.
BJÖRK LUCAS:
Also, wenn ich die Ausstattung von meiner alten Schule mit hier vergleiche: Also, hier funktioniert alles schon deutlich besser und es ist einfach sauberer, es ist neuer, man kann viel besser mit den Sachen arbeiten.
TOM COLM:
Also, ich denke mal, es ist klar, dass es da Dinge gibt, die einem nicht so gefallen an der Schule, aber das ist jetzt glaub ich nicht nur an der BBO so. Es sind viele Schulen in Berlin.
SPRECHER:
Tom Colm geht auf die Bertold-Brecht-Oberschule. Hier schrumpfen die jährlichen 35.000 Euro aus Louisenlund auf durchschnittlich 8.900 Euro pro Kind zusammen. Nach der 10. Klasse will er sein Abi machen und Mediengestalter werden. Bei der Einschulung entschieden sich seine Eltern bewusst gegen die Privatschule für ihre Kinder.
ROMAN COLM:
Ja, wir haben das natürlich diskutiert: Sowohl in der Familie, wie auch wir als Eltern alleine. Es war ein langer Prozess, aber aufgrund der Erfahrung, die ich an einer Privatschule gemacht hab, haben wir uns dagegen entschieden.
JULIA COLM:
Ein wichtiger Aspekt war auch die Erkenntnis, dass die Probleme, die auf unsere Kinder zukommen, in den allermeisten Fällen ja doch gesellschaftliche Probleme sein werden. Und wenn man die Gesellschaft nicht kennt, tut man sich schwer, ihre Probleme zu lösen.
SPRECHER:
In Louisenlund in der Physikstunde sitzt Björk mit nur drei anderen Schülern im Unterricht. Die 35.000 Euro ihres Stipendiums fließen komplett in moderne Ausstattung, den Unterricht und Unterbringung der Schüler. Einen Gewinn darf die Schule als Stiftung nicht machen – für Björk ein deutlich besseres Konzept.
BJÖRK LUCAS:
Der größte Unterschied zu meiner alten Schule ist, glaube ich, dass die Lehrer viel mehr Zeit für jeden einzelnen Schüler haben. Jeder Lehrer kennt einen viel besser. Jeder Lehrer kennt seine … die Stärken und Schwächen der Schüler.
SPRECHER:
Toms Klassenlehrerin jongliert dagegen 20, 25 Kinder pro Klasse. Lehrerinnen wie sie werden dringend gebraucht: Fast 40.000 Pädagogen fehlen in Deutschland. Ihre Schule hat zwar technisches Equipment wie Computer, aber zu wenige für 1500 Schüler.
NORA GLATZER (Lehrerin):
Manchmal ist es so – dadurch, dass die Schule so groß ist –, dass man dann nicht so schnell an die verschiedenen Sachen rankommt und dann es doch wieder vertagen muss auf andere Stunden, weil man in dem Moment nicht die Möglichkeit hat, das im Unterricht umzusetzen.
SPRECHER:
Neben Lehrermangel plagen viele öffentliche Schulen auch baufällige Gebäude und Sanierungsstaus. Gearbeitet wird deshalb oft im laufenden Betrieb. Anders die privaten Schulen: Die finanzieren sich durch Spenden und Schulgeld, sind weitestgehend unabhängig von der Politik – zwei parallele Welten, von denen sich Tom nicht entmutigen lassen will.
TOM COLM:
Ich glaube schon, dass viele Schüler so die gleichen Chancen haben, erfolgreich zu werden – je nachdem, was sie halt machen wollen. Ich glaube, das kommt ganz auf den Schüler selbst an.
SPRECHER:
Optimismus eines 15-Jährigen. Fakt ist aber: Deutschland investiert nur 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung. Und das liegt noch unter dem europäischen Durchschnitt.