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Manuskript

Sterbebegleitung: Beistand bis zum letzten Atemzug

Über das eigene Sterben zu sprechen, ist für die meisten Menschen nicht einfach, vor allem nicht mit der Familie. Regina Ciriack ist sehr krank und redet lieber mit einer professionellen Sterbebegleiterin über den nahen Tod. Diese versucht, ihr die Angst zu nehmen und unterstützt sie auch bei ganz praktischen Fragen zum Umzug in ein Hospiz oder zur Beerdigung.

REGINA CIRIACK (Kranke):

Moment. So. Und das muss ich Minimum sechs Stunden die Nacht tragen.

SPRECHERIN:

Das Sauerstoffgerät geht Regina Ciriack ziemlich auf die Nerven. Aber sie ist sterbenskrank: COPD im Endstadium, eine unheilbare Lungenkrankheit, bei der die Lungenbläschen zerstört werden. Regina hat nur noch 20 Prozent Lungenvolumen. Ohne zusätzlichen Sauerstoff kann sie fast nichts machen.

REGINA CIRIACK:

Ja, also, für mich ist das schon immer ‘ne Belastung, weil ich klaustrophobisch bin. Und wenn man immer so was Enges vor ‘m Gesicht hat, das ist für mich unangenehm.

SPRECHERIN:

Regina will sich aufs Sterben vorbereiten. Deshalb kommt einmal die Woche Martina Bukatz vorbei. Sie ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin im Auftrag der Malteser. Sie hat vor Regina bereits mehr als ein Dutzend Menschen beim Sterben begleitet. Die ehemalige Finanzbeamtin weiß also, was sie tut. Die Gespräche mit Martina nehmen Regina die Angst vor dem Sterben.

REGINA CIRIACK:

Sie war eben hautnah schon dabei, und das vermittelt sie auch, und das gibt mir Zuversicht.

MARTINA BUKATZ (ehrenamtliche Sterbebegleiterin):

Schwer ist das Thema nicht, sondern das ist schwer (ist), was die Leute draus machen. Man kann ‘s ganz locker angehen. Wir reden über alles. Das geht nicht mit jedem, das ist auch so, aber mit Regina klappt ‘s wunderbar.

SPRECHERIN:

Die beiden reden auch ganz offen über das Thema Beerdigung.

REGINA CIRIACK:

Ich möchte verstreut werden im Gebirge, in den Bergen, das wär‘ mir wichtig. Und eine große Party, aber keine Sterbeparty, sondern eine Lebensparty. Alle meine Freunde sollen das Leben feiern und nicht den Tod. Das wär‘ mir wichtig.

SPRECHERIN:

Martina Bukatz wurde über einen Zeitraum von neun Monaten von den Maltesern zur Sterbebegleiterin ausgebildet. Da hat sie eigentlich gelernt, eine professionelle Distanz zu wahren. Bei Regina fällt ihr das aber schwer.

MARTINA BUKATZ:

Sie ist (ein) so‘n Herzensmensch (und), die [sich] ihrer Situation voll bewusst ist, aber auch so positiv, da nehm‘ ich immer Energie mit raus, wo ich immer staune, wo sie die noch hernimmt. Aber, ja, es ist einfach schön.

SPRECHERIN:

Ein paar Wochen später wieder bei Regina. Sie wohnt mit ihrem Mann in einer Dachgeschosswohnung ohne Balkon in Berlin. Wenn sie mal vor die Türe will, ist das ein riesiger Akt. Ihr Mann hilft ihr dabei. Es dauert ewig, bis sie die drei Stockwerke bis nach unten geschafft haben. Regina kann nur kurze Strecken gehen. Der Ausflug auf die Bank vor dem Haus ist für die 67-Jährige etwas Besonderes. Seit 40 Jahren ist sie mit ihrem Mann verheiratet, auf ihn und ihre beiden Kinder kann sie sich verlassen. Doch so offen und locker über ihren Tod sprechen wie mit Martina, das geht nicht. Und in der Küche wartet schon Martina. An diesem Tag geht es darum, ob Regina bald in ein Hospiz geht – ein Haus speziell für Sterbende.

REGINA CIRIACK:

Du, ich habe auch gesagt, wenn ich die Möglichkeit hab‘, mir das noch auszusuchen, wenn ich noch einigermaßen Herr meiner Sinne bin, wunderbar. Andere machen sonntags ‘ne Kaffeefahrt, ich sage, komm wir gucken uns ‘n Hospiz an.

MARTINA BUKATZ:

Richtig!

SPRECHERIN:

Und genau so eine Kaffeefahrt findet zwei Monate später, Anfang Dezember, statt. Ihr Mann Wolfgang unterstützt sie und begleitet sie auch bei diesem Termin, aber am liebsten wäre ihm, wenn Regina zuhause bleibt. Doch seine Frau hat ihren eigenen Kopf. Schließlich hat sie schon alles mit Martina besprochen.

REGINA CIRIACK:

Aber nach mehreren Gesprächen dann auch mit meiner Sterbebegleitung von den Maltesern hab‘ ich mir doch überlegt, meine Familie lieber aus dem Fokus raushalten zu wollen. Ich weiß nicht, ob das so toll ist für die zu sehen, wenn die Mutter mit den Füßen zuerst, sag ich ma‘, aus der Wohnung geht.

SPRECHERIN:

Drei Monate später, Regina ist immer noch zuhause, aber ins Zentrum der Wohnung, ins Wohnzimmer, gezogen. 

REGINA CIRIACK:

Neues Pflegebett, habe meinen – Moment – meinen Standort gewechselt. Alles ein bisschen heller, ein bisschen freundlicher, ich kann hier auch Besuch empfangen. Alles wunderbar. Und [ich] freu‘ mich darüber.

SPRECHERIN:

Und ihr Mann ist nur einen Knopfdruck entfernt.

REGINA CIRIACK:

Das ist meine Jamesklingel.

SPRECHERIN:

Ihr Mann arbeitet jetzt im Homeoffice, um immer erreichbar zu sein. Den Umzug ins Hospiz schiebt er erst einmal weg.

WOLFGANG CIRIACK (Ehemann von Regina):

Ich hab‘ eigentlich gesehen, dass sie hier zuhause hier noch, wenn man ihr hilft, eigentlich noch ganz gut klarkommt. Ja, und dann habe ich sie lieber hier, als wenn ich den ganzen Tag alleine bin und dann nur zum Besuch hinfahre. Ja, dann nehme ich öfters auchin Kauf, dass ich jetzt nicht mehr als Mann, sondern als James behandelt werde hier, als Diener.

REGINA CIRIACK:

Ja, dann kriegst du auch Taschengeld.

SPRECHERIN:

Rund zwei Wochen nach diesem Besuch stirbt Regina plötzlich. So sanft, wie sie es sich gewünscht hat. Martina Bukatz kommt zu Reginas Abschiedsfeier – wie von Regina bestellt in einem Partyoutfit. Und auch das Fest ist, wie es sich die Verstorbene vorgestellt hat.

MARTINA BUKATZ:

Laut, trubelig, bunt. Also, so haben wir das immer mal besprochen, wie das denn aussehen soll, und genauso, glaub‘ ich, ist es geworden.

SPRECHERIN:

Zu Ostern erfüllt die Familie Reginas allerletzten Wunsch. Sie verstreuen ihre Asche in den Schweizer Bergen.

Wenn ein Mensch „unheilbar krank“ ist, ist er …
Ein Sterbebegleiter …
„ehrenamtlich“ bedeutet, dass …
Was trifft auf ein Hospiz zu?

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