Manuskript

Korallenriffe in Handarbeit

Die Korallenriffe in den tropischen Weltmeeren sind einzigartige Lebensräume. Doch die Erhöhung der Meerestemperatur durch den Klimawandel droht sie zu zerstören. Zwei Schwestern machen auf diese Gefahr aufmerksam – mit einer Kunstausstellung voller gehäkelter Korallen. Ein Projekt, bei dem jeder mitmachen darf: Schon Tausende Menschen haben den beiden Künstlerinnen ihre Handarbeiten geschickt.

SPRECHER:
Korallen, Algen und Muscheln in allen möglichen Farben und Formen. Aus der Ferne wirken die Installationen von Margaret und Christine Wertheim wie echte Korallenriffe. Erst beim näheren Hinsehen zeigt sich im Baden-Badener Museum Frieder Burda: Alles hier ist gehäkelt.

MARGARET WERTHEIM (Künstlerin):
Unsere Arbeiten sollen so lebendig und echt wie möglich wirken. Ich glaube, das ist dem ganzen Team hier in Baden-Baden richtig gut gelungen. Es ist wirklich eine vor Lebendigkeit strotzende Welt geworden.

CHRISTINE WERTHEIM (Künstlerin):
Wir mussten uns gar nicht anstrengen. Wenn Menschen häkeln und ihr Werk zusammensetzen, füllt es sich wie von selbst mit Leben.

SPRECHER:
Ihre Ausstellung „Crochet Coral Reef“ zeigt die bunte Schönheit und Diversität der Korallenriffe. Eine faszinierende Unterwasserwelt, die in der Wirklichkeit zunehmend gefährdet, ja sogar vom Aussterben bedroht ist. Die ersten Anzeichen dafür sind schon jetzt eindeutig zu erkennen, wie hier am australischen Great Barrier Reef. Schon eine geringe Erhöhung der Meerestemperatur hat schwerwiegende Folgen. Die mit den Korallen in Symbiose lebenden, farbgebenden Algen werden abgestoßen. Übrig bleibt das weiße Kalkskelett. Diese Korallenbleiche zeigen die Künstlerinnen auch in ihrer Ausstellung – ein Appell an uns alle.

MARGARET WERTHEIM:
In den letzten 20 Jahren ist die Ausbleichung der Korallen massiv fortgeschritten. Der Hauptgrund sind Temperaturerhöhungen, hervorgerufen durch den globalen Klimawandel. Korallen sind sehr kleine Lebewesen. Ihr sensibler Organismus kann selbst einer geringen Erhöhung der Meerestemperatur von nur einem Grad nichts entgegensetzen.

SPRECHER:
Seit 17 Jahren ziehen die Schwestern von Land zu Land, warnen vor den Folgen der globalen Erwärmung. Wo immer sie sind, rufen sie die Menschen der Region auf, Korallen für ein sogenanntes „Satellite Reef“ zu häkeln. Auch die Damen rund um Sandra Stadler wollen zur Ausstellung beitragen.

SANDRA STADLER (Mitglied einer Häkelgruppe):
Wenn es um die Natur, um die Tiere, um die Vielfalt, ums Artensterben geht, um solche Dinge … bin ich mit meinen Stricktreffdamen, eigentlich sind wir immer gleich Feuer und Flamme, mache[n] da mit, um … weil wir das auch als wichtig ansehen.

SPRECHER:
In ihrer Strick- und Häkelgruppe dreht sich seit einem halben Jahr alles um die Korallen. Häkeln ist für alle hier eher Meditation als eine handwerkliche Herausforderung.

SANDRA STADLER:
Können muss man eigentlich nur feste Maschen, Luftmaschen und feste Maschen. Kann auch ’n Anfänger und es isch [ist] ja auch net schlimm, wenn in der – so wie es in der Beschreibung angegeben isch - mal ein kleiner Fehler oder so drin isch, weil ‘ne Koralle an sich isch ja im Original auch nicht immer akkurat.

LUISE LEIBOLD-NATHAL (Mitglied einer Häkelgruppe):
Grad wenn man Enkelkinder hat, finde ich’s noch so schön, dass sie sagen: Mensch, unsere Oma! Die macht auch was für die Umwelt! Die isch ja ganz modern.

SPRECHER:
Wie die Frauen der Strickliesl-Gruppe aus Hambrücken senden mehr als 4.000 Menschen aus dem deutschsprachigen Raum ihre Kreationen an das Museum Frieder Burda. Unter der Regie der Künstlerinnen erstellt ein Häkelteam aus den Einzelteilen das Baden-Badener „Satellite Reef“.

MARGARET WERTHEIM:
Wir reden hier von einigen hunderttausend Arbeitsstunden. Kein einzelner Kunstschaffender könnte so viel alleine leisten. Insofern ist dies tatsächlich ein kollektiver, gemeinschaftlicher Schaffensprozess.

SPRECHER:
Allen Korallen gemeinsam sind wenige Grundformen. Die basieren auf der exakten Anleitung der Künstlerinnen. Erst durch unterschiedliche Farben, Garne und Verbindungen entstehen – wie in der Natur – immer neue Kreationen. Ein Zeichen von Lebendigkeit und gleichzeitig eine Mahnung, die echten Riffe vor dem drohenden Aussterben zu bewahren.