Kreative Pause im Künstlerdorf
Sie machen Musik, schaffen Kunst oder backen Brot: Über 200 kreative Menschen arbeiten im Holzmarkt 25 mitten in Berlin. Doch die Corona-Pandemie hat die Gemeinschaft hart getroffen. Ob Kulturveranstaltungen, Konzerte oder Gastronomie: Das alles muss ausfallen. Aber auch unter so schwierigen Bedingungen hat man im Holzmarkt 25 Mittel und Wege gefunden, um weiterzuarbeiten.
SPRECHER:
Bunt, unkonventionell und alternativ: Das ist das Künstlerdorf Holzmarkt 25 – mitten in Berlin, direkt an der Spree. Rund 200 Kreative arbeiten hier, darunter DJs, Künstler und Musiker. Das kleine Stadtquartier hat eine eigene Bäckerei, eine Kindertagesstätte, eine Weinhandlung, eine Musikschule, ein Restaurant und einen Club. Natürlich wurde auch der Holzmarkt 25 von der Pandemie hart getroffen. Seitdem steht hier vieles still, wie Pressesprecher Konstantin Krex bedauert.
KONSTANTIN KREX (Pressesprecher):
Man kann keine Kultur machen, man kann keine Konzerte veranstalten. Wir können kaum Leute bewirten. Und das tut richtig weh.
SPRECHER:
Doch das kreative Projekt lässt sich nicht unterkriegen. Mattis Harpering betreibt auf dem Areal eine Bio-Bäckerei. Momentan hat er nur an vier Tagen in der Woche geöffnet, denn Besucher und Touristen gibt es momentan nicht. Dennoch bleibt er optimistisch.
MATTIS HARPERING (Bäcker):
[Wir] hatten uns sehr auf diesen Tourismus verlassen. Und dadurch hat uns das sehr getroffen. Wir haben uns aber dann … Aus Not mussten wir uns dann irgendwie umgucken und sind jetzt ein bisschen ins Liefergeschäft gekommen, was auch wieder positiv ist, weil wir dadurch auch mehr zur Bäckerei wurden und mehr Brot dann auch produziert haben.
SPRECHER:
Mai 2017: Das genossenschaftliche Vorzeigeprojekt wird feierlich eröffnet. Von einer Pandemie ahnt damals noch keiner etwas, und es wird kräftig, eng an eng, bis spät in die Nacht gefeiert. Schnell entwickelt sich der Holzmarkt 25 zum Besuchermagneten und zieht Einheimische wie Touristen gleichermaßen an. Heute geht es auch im Studio 25 um einiges ruhiger zu. Hannes Husten ist Sänger und Gitarrist bei der Band SIND und leitet das Tonstudio des Quartiers. Er macht aus der Not eine Tugend – wie auch der international bekannte DJ Oliver Koletzki.
OLIVER KOLETZKI (DJ):
Das war eigentlich für mich ’ne gute Pause, mal nicht so viel auf Tour zu sein. Und [ich] habe deswegen sehr viel Zeit hier am Holzmarkt verbracht, war fast täglich im Studio, hab an neuen Projekten gearbeitet, hab in dem letzten Jahr ein ganzes neues Album geschrieben. Und … ja, das hat mich persönlich auch entschleunigt.
HANNES HUSTEN (Musiker):
Der Holzmarkt war für uns als Studiobetreiber und auch als Musiker am Holzmarkt extrem wichtig, weil wir zum einen durch die ganzen Streams enger zusammengerückt sind und zusammen Projekte aufgezogen haben und neue Ideen entwickelt haben. Und darüber hinaus ist der Holzmarkt, wie gesagt, auch ’ne Familie, die niemanden fallen lässt. Das heißt, wenn mal die Miete nicht gezahlt werden kann oder jemand gerade anderweitig irgendwie nicht klarkommt, ist immer jemand da, der einem hilft. Und man wird hier nicht sofort rausgeschmissen oder fallen gelassen.
SPRECHER:
Kaum Kundschaft wegen der Corona-Krise: Das macht sich auch im Geschäft der Künstlerin Isabel Ott bemerkbar. Denn ihre Upcycling-Kunstwerke aus Müll kommen besonders bei Touristen sehr gut an. Die Pandemie hat sie dennoch als Inspirationsquelle genutzt.
ISABEL OTT (Künstlerin):
Es gab ’n Thema für mich. Also, während des ersten Lockdowns habe ich meine Corona-Chroniken angefangen. Das heißt, ich hab eigentlich jeden Tag ein Piece gemacht, wo es um Corona ging. Ich habe eine Kissenserie gemacht, aus ’ner alten Stickbildersammlung, die ich habe. Den Stuhl hab ich gemacht mit der Frau, die einen Corona-Hut hat. Toilettenpapier war ja auch das Thema schlechthin. Während Corona habe ich diesen Halter gemacht. Ich hatte immer was zu tun, hatte immer Spaß dabei.
SPRECHER:
Ein paar Häuser weiter leitet Jonathan Bucka eine Musikschule. Zwar ist die Anzahl der Schüler von 180 auf 150 gesunken, der Unterricht findet aber immer noch statt – wenn auch nur noch digital.
JONATHAN BUCKA (Musiklehrer):
Im Vergleich zu anderen Branchen fühlen wir uns hier natürlich privilegiert, dass wir unser Angebot trotzdem online weiterführen können, weil viele unserer Lehrkräfte sind auch noch neben dem Unterrichten als Musiker tätig, in Orchestern, freischaffend. Und diese Art der Einkunft ist natürlich aktuell komplett weggebrochen seit März 2020. Daher ist das immer noch so ’n letztes Standbein, wo wir sehr dankbar dafür sind.
SPRECHER:
Natürlich gibt es auch auf dem Holzmarkt 25 Verlierer. Der Club Kater Blau bleibt vorerst geschlossen und auch im Säälchen finden schon seit Langem keine Veranstaltungen statt. Das Café, die Patisserie und das Restaurant sind ebenso dicht. Viele Projekte und Pläne liegen derzeit erst einmal auf Eis. Dennoch wurde bislang keinem der Festangestellten im Team gekündigt.
KONSTANTIN KREX:
Das ist die tolle Botschaft, die wir mitnehmen können, dass unser Konzept sich in dieser verdammt schweren Zeit als tragfähig erwiesen hat und dass man miteinander Wege gefunden hat, da durchzukommen. Zwar mit ’nem blauen Auge, aber wir stehen noch und wir wissen: Es wird weitergehen.
SPRECHER:
Gemeinsam und solidarisch trotzt das urbane Künstlerdorf der Krise und ist sich sicher: Es kommen auch wieder bessere Zeiten.