Kunst in alten Industrieanlagen
In der Völklinger Hütte, einer alten Industrieanlage, findet alle zwei Jahre eine besondere Kunstaustellung statt: die UrbanArt Biennale. Die teilnehmenden Künstler nutzen die besondere Architektur der Völklinger Hütte für ihre Werke. Früher haben einige von ihnen ohne Erlaubnis zum Beispiel auf Hauswände oder auf öffentliche Gebäude gemalt. Dabei mussten sie immer damit rechnen, entdeckt und bestraft zu werden. Heute können sie ihre Kunst legal präsentieren und damit Geld verdienen.
SPRECHER:
Kunst trifft auf Industriedenkmal: Die ehemalige Eisenhütte in Völklingen ist eine ideale Kulisse für die Urban Art. Allein auf der Außenanlage haben 20 Künstler ihre Werke installiert. Diesen Schornstein hat sich der Künstler Mambo ausgesucht. Er lebt in Los Angeles und hat schon in den 1980er-Jahren Streetart gemacht. Heute ist er ein etablierter Künstler. Er arbeitet schon lange nicht mehr mit der Spraydose, sondern mit dem Pinsel.
MAMBO (Künstler):
Die Adrenalinausschüttungen beim illegalen Malen können süchtig machen. Es war wie eine Droge. Jetzt fokussiere ich mich mehr auf den Stil, den Ausdruck und mein eigenes Vokabular. Das ist eine andere Arbeit. Es ist eine Studioarbeit, aber ich fühle mich mehr als Künstler. Ich muss nichts Illegales mehr machen.
SPRECHER:
Gleich mehrere Werke wurden von den Berliner Künstlern Mentalgassi angebracht. Sie haben auf Rohren, Gittern und Silos Menschen porträtiert, die heute in der Völklinger Hütte arbeiten. In ihrem Berliner Studio werden die Fotos im Riesenformat ausgedruckt. Die Künstler arbeiten schon seit 20 Jahren in den Straßen verschiedener Städte weltweit – häufig natürlich ohne Erlaubnis. Nun sind sie bei der UrbanArt Biennale eingeladen, das Gelände zu bespielen.
MENTALGASSI (Berliner Künstler-Kollektiv):
Wir suchen immer nach Objekten oder Architekturen, die dreidimensional sind oder zumindest irgendwie ’ne Tiefe haben oder irgendwie in den Raum reingehen, damit wir nicht nur ’n planes Bild oder ’n planes Porträt abbilden können, sondern eben eigentlich ’ne Fotoskulptur erschaffen können.
SPRECHER:
Einer der Porträtierten ist Hendrik Kersten.
HENDRIK KERSTEN (Projektleiter auf der Völklinger Hütte):
Ja, ich wurde abgelichtet, das wohl, von allen Seiten, oben, unten und musste übelste Grimassen schneiden und dann wurde entschieden: Super, den nehmen wir. Und ja, dann fand ich mich dann hier wieder. Da diese Art von Fotografie doch ziemlich mörderisch ist, was so Oberflächen, Haut und so weiter angeht, sind die Damen da etwas kritischer als unsereiner, aber ich glaub, sie kann damit leben.
SPRECHER:
Auch der Künstler Mardi Noir aus Frankreich klebt seine Kunst. Er hat sich ein Häuschen, das Arbeiter früher für Pausen genutzt haben, ausgesucht und deutsche Plakate aus den 1970er-Jahren zum Thema Arbeitssicherheit künstlerisch bearbeitet.
MARDI NOIR:
Ich arbeite mit kleinen Bildern, die ich durch ein Faxgerät schicke, damit sie stärker gepixelt sind. Dann male ich davon eine größere Fassung. Am Ende versehe ich die Bilder mit knalligen Signalfarben.
SPRECHER:
In der gewaltigen Kulisse der sogenannten Möllerhalle, dort, wo früher die Rohstoffe des Eisenwerks gelagert wurden, sind rund 100 weitere Werke der Urban Art aus 20 Ländern zu sehen. Es ist Straßenkunst, die nun auf Leinwand gelandet ist.
MEINRAD MARIA GREWENIG (Direktor der Völklinger Hütte):
Die Urban Art ist die Kunst, die als Streetart von der Straße kommt. Am Anfang sind diese Künstlerinnen und Künstler als Besitzstörer verhaftet und ins Gefängnis gesperrt worden. Und irgendwann gab es dann den Punkt, wo diese Künstler aus dem Straßenraum heraus auf bewegliche Gründe Bilder, Skulpturen gefertigt haben. Das ist der Beginn unserer UrbanArt Biennale und seitdem zeigen wir diese Kunst, die sich da aufgemacht hat, auch als neue Kulturrichtung, Richtung Museum.
SPRECHER:
Die UrbanArt Biennale in Völklingen zeigt, dass inzwischen viele ehemalige Straßenkünstler auf dem Weg sind, sich einen sicheren Platz auf dem Kunstmarkt zu ermalen.