LGBTQ willkommen: ein besonderes Pflegeheim
Wer heute schwul, lesbisch oder trans lebt, ist rechtlich geschützt. Doch gerade ältere Menschen aus der LGBTQ-Gemeinschaft sind noch in einer Zeit aufgewachsen, in der ihre Liebe verboten war. Oft mussten sie sich verstecken. Doch ein Berliner Pflegeheim richtet sich ausdrücklich auch an sie und ihre Wünsche. Wer hier wohnt, hat Glück – denn bisher gibt es in Deutschland nur ganz wenige vergleichbare Einrichtungen.
SPRECHERIN:
Diese Seniorinnen und Senioren verbringen ihren Lebensabend unter dem Regenbogen– in einem LGBTQ-sensitiven Pflegeheim. Der Ansatz: Auf die speziellen Bedürfnisse aller eingehen – egal ob sie queer sind oder heterosexuell.
NILS ORSINGER (Altenpfleger):
Wir sind ’ne bunte Vielfalt, und jeder ist willkommen. Jeder, der hier[her] kommt, wird begrüßt und da wird erst mal abgefragt: Wie möchte jemand angesprochen werden? In welchem Wahlfamilienstand, in welchen Lebenssituationen ist der Mensch? Von wem möchte er gepflegt werden, lieber von Männern, von Frauen, wie sind Vorlieben? Also, jeder kann sich frei äußern und braucht keine Bedenken zu haben, dass er deswegen irgendwie schief angeguckt wird.
SPRECHERIN:
Das Immanuel-Seniorenzentrum liegt in Schöneberg, einem Berliner Viertel mit einer lebendigen LGBTQ-Community. Gendersensible Schilder und Sprache oder eine Sammlung von Filmen und Büchern mit LGBTQ-Themen sind die kleinen Dinge, die für Bewohner wie Hans-Dieter Schröter einen großen Unterschied machen. Lange hielt er seine Homosexualität geheim. Erst im Alter begann er, offen darüber zu sprechen:
HANS-DIETER SCHRÖTER (Lehrer im Ruhestand):
Wir sind also nie Händchen haltend auf dem Bürgersteig langgegangen. Ja, das wollte mein Freund auch nicht. Das hat schon was mit „offen bekennen, dass man schwul ist“ zu tun.
SPRECHERIN:
Ein Leben im Verborgenen ist typisch für die Generation von Hans-Dieter Schröter. In Deutschland wurden schwule Männer bis Mitte der 1990er-Jahre kriminalisiert. Durch die Erfahrung von Diskriminierung ist für ältere LGBTQ-Personen eine Umgebung sehr wichtig, in der sie sich sicher fühlen.
NILS ORSINGER:
In der Regel ist ja keine familiäre oder ersatzfamiliäre Einbindung mehr da. Gerade als schwuler Mann oder als lesbische Frau im Alter sind meistens nur manchmal noch Freunde da, die sich aber in der Form nicht kümmern können, gerade wenn Pflegebedürftigkeit vorhanden ist oder zunimmt. Da ist es dann schon wichtig, zum einen Pflege, aber eben auch die persönlichen Bedürfnisse vereinen zu können.
SPRECHERIN:
Viele der Bewohnerinnen und Bewohner sind heterosexuell – Michael Kessner zum Beispiel. Er genießt das Klima der Toleranz und auch die organisierten Ausflüge zum jährlichen lesbisch-schwulen Stadtfest.
MICHAEL KESSNER (Rentner):
Ja, hier steht halt der Mensch im Mittelpunkt. Nicht die Institution und nicht irgendwat anderet, sondern hier ist man wirklich… hier darf man sein, wat man is’.
SPRECHERIN:
Die Vielfalt der Lebensentwürfe zeigt sich auch beim Pflegepersonal: Queere Mitarbeitende sind ausdrücklich willkommen.