Malen unter dem Einfluss der Naturgewalten
In den eigenen vier Wänden arbeiten? Für Christopher Lehmpfuhl kommt diese Arbeitsweise nicht in Frage. Der Berliner Künstler möchte beim Malen unbedingt Kontakt mit der Natur haben. Dafür klettert er auf Berge und Hochhäuser, erträgt Hitze und Kälte, trotzt Regen und Wind. Sogar seine Materialien trägt er manchmal viele hundert Meter bis zum Ziel. Doch die Mühe lohnt sich, denn Lehmpfuhls Bilder sind einzigartig.
SPRECHER:
Egal, wie sehr es stürmt, wie entlegen die Orte sind oder wie heiß die Sonne scheint: Der Berliner Künstler Christopher Lehmpfuhl malt immer unter freiem Himmel.
CHRISTOPHER LEHMPFUHL (Maler):
In dem Moment, wo ich arbeiten kann vor Ort, bin ich am glücklichsten. Ja, weil dieses … dieses Panorama wirklich real zu erleben, die Temperatur, das Licht zu spüren auf der Haut, die Geräusche wahrzunehmen von der Stadt und der Umgebung, ist essenziell wichtig für meine Kunst.
SPRECHER:
Sein aktueller Auftrag: ein fünfteiliges Panorama der deutschen Hauptstadt.
Gemalt wird in schwindelerregender Höhe auf dem Dach des Berliner Universitätsklinikums Charité. Die unterschiedlichen Lichtstimmungen reizen ihn hier besonders.
CHRISTOPHER LEHMPFUHL:
Es ändert sich ständig. Durch dieses Licht- und Schattenspiel, da entstehen verrückte Raumtiefen, dann ist wieder der Mittelgrund beschattet, dann wird er wieder frei, und man ist ständig in so ’nem Dialog. Und dann muss man immer überlegen: Ist das, was jetzt gerade sich verändert aufgrund des Lichts, gut und wichtig fürs Bild? Nehme ich das mit rein oder lasse ich es bleiben? All so ’ne Fragen.
SPRECHER:
Seit mehr als 25 Jahren zieht es den Berliner raus in die Natur. Im Atelier zu malen – für ihn undenkbar. Christopher Lehmpfuhl ist Extremmaler. Er möchte den Naturgewalten etwas entgegensetzen – so wie 2014 auf der deutschen Nordseeinsel Helgoland.
CHRISTOPHER LEHMPFUHL:
Wenn ich den Orkan spüre, dann ist das ja auch ein unglaublicher Widerstand, gegen den ich arbeiten muss. Und bei mir ist es halt so, dass ich dann auch extrem viel Farbe verwende, um sozusagen dem was entgegenzusetzen. Also je extremer die Bedingungen, desto pastöser, expressiver, abstrakter werden die Werke auch.
SPRECHER:
2017 bringen Islands Vulkanlandschaften Christopher Lehmpfuhl an seine Grenzen. Innerhalb von zwei Wochen malt er zwölf Bilder – unter erschwerten Bedingungen.
CHRISTOPHER LEHMPFUHL:
Da war ein Vulkankrater, wo ich 200 Höhenmeter Farben und Leinwände hochgeschleppt habe und dann halt eben oben gemalt und alles wieder runtergeschleppt. Also, da ist man danach völlig fertig.
SPRECHER:
Zurück in Berlin – in 85 Metern Höhe über den Dächern der Stadt. Bei diesem Projekt plant Christopher Lehmpfuhl rund 80 Kilogramm Ölfarbe ein. Ein logistischer Kraftakt. Durch den dicken Farbauftrag wirken seine Bilder fast dreidimensional. Denn er modelliert die Farbe direkt mit den Händen auf die Leinwand. Pinsel schaffen eine unnötige Distanz, sagt er.
CHRISTOPHER LEHMPFUHL:
Das ist halt herrlich, diese Farbe ist so ganz warm, aber nicht heiß. Manchmal habe ich so wirklich das Problem, dass es dann so heiß ist im Sommer, dass ich mir die Hände verbrenne, ja?
SPRECHER:
Seine großformatigen Bilder entstehen immer aus dem Moment heraus. Nach rund vier Stunden sind die ersten drei Teile des Berlin-Panoramas fertig.
CHRISTOPHER LEHMPFUHL:
Ich finde auch sowieso, dass es eine extreme Zeit ist, in der wir leben, und man muss dafür auch einen Ausdruck finden. Ich finde, jede Zeit hat ihre Form, ihre Farbigkeit, ihre … ja … auch Emotion. Also … und in der Kunst, bei diesen Extremen geht es eben für mich auch um diese Emotionen.
SPRECHER:
Die farbgewaltigen Bilder eines Künstlers, der gerne dick aufträgt. Bis die Farbe getrocknet ist, kann es mehrere Monate dauern.