Manuskript

Medienbilder: Original oder Fälschung?

Die moderne Technik bietet immer neue Möglichkeiten: Inzwischen lassen sich Bilder und Videos von realen Personen so verändern, dass sie vollkommen echt wirken. Man kann sogar künstliche Figuren erschaffen, die aussehen und sich bewegen wie wirkliche Menschen. In Filmen und Computerspielen ist das faszinierend. Aber wenn niemand mehr weiß, ob Bilder von realen Ereignissen echt oder gefälscht sind, kann es gefährlich werden.

SPRECHERIN:

Eine schöne Frau macht Werbung für ein Handy – Alltag. Nur dass dieses Model kein Mensch ist: „Shudu“ besteht aus Pixeln, kreiert am Computer. Sie und ihre Kollegen revolutionieren gerade die Werbe- und Modewelt. Echt oder Fake? Im Netz wird es immer schwieriger, das zu erkennen. Bei Shudu und Co. war immer klar: Sie sind rein digitale Produkte. Doch immer öfter werden auch reale Menschen gefakt. „Deepfakes“ heißen Videos und Audios, die durch künstliche Intelligenz so manipuliert werden, dass die Fälschung für Laien nur noch schwer erkennbar ist. Die Plattform BuzzFeed gehörte zu den Ersten, die darauf aufmerksam machten. Als eindrückliches Beispiel diente Barack Obama, der seinen Amtsnachfolger Donald Trump einen Vollidioten nennt. Natürlich alles Fake.

BARACK OBAMA (manipuliertes Video):
Präsident Trump ist ein absoluter Voll...

SPRECHERIN:
Was es braucht, um Deepfakes herzustellen, sind Bilder, viele Bilder. Ein Algorithmus analysiert jeden Gesichtsausdruck, jedes Muskelzucken und setzt dann etwa Mundbewegungen neu zusammen. So gelingt es, dass auch lange Verstorbene wie der Künstler Salvador Dalí wiederauferstehen und Selfies mit Museumsbesuchern machen – wie hier in Florida.

SALVADOR DALI (manipuliertes Video):
Oh, là, là!


SPRECHERIN:
Die schöne Seite der Deepfakes.

SALVADOR DALI (manipuliertes Video):
Möchten Sie, dass ich Ihnen das schicke?

SPRECHERIN:
Doch 96 Prozent der Deepfake-Videos im Netz sind pornografisch. Und nahezu immer trifft es Frauen. Berühmte wie Scarlett Johansson, aber auch unbekannte: Die Australierin Noelle Martin entdeckte durch Zufall Tausende Fotos und Videos von sich im Netz. Jemand hatte ihre Facebook-Fotos gestohlen und ihren Kopf in Pornovideos hineinmanipuliert.

NOELLE MARTIN (Aktivistin):
Das hat mein Leben massiv erschüttert. Wenn dir so was passiert, hat es lebenslange Folgen für deine Karriere, für deine psychische Gesundheit, deine Beziehungen zu anderen Menschen, deinen Ruf und deine Würde.

SPRECHERIN:
Martin versuchte, die Inhalte löschen zu lassen. Vergeblich. Sie ging an die Öffentlichkeit, erreichte, dass die Manipulation von Bildern in Australien nun verboten ist. Doch sie kämpft weiter.

NOELLE MARTIN:
Unsere Gesetze sind nur begrenzt wirksam. Was wir brauchen, ist eine Art globale Vorgehensweise, denn es kann nicht sein, dass es im 21. Jahrhundert möglich ist, dass jemand an seinem Laptop auf der anderen Seite der Welt sitzt und die Leben von Menschen zerstört.

SPRECHERIN:
Facebook hat 2019 einen Wettbewerb ausgelobt, um eine Technik zu entwickeln, Deepfakes aufzuspüren. Preisgeld: zehn Millionen Dollar. Eine ähnliche Initiative kommt vom US-Verteidigungsministerium, denn längst ist klar: Deepfakes bedrohen nicht nur Privatpersonen, sondern den gesellschaftlichen Frieden. Situationen wie der Sturm auf das Kapitol könnten durch Deepfake-Videos leicht zu einem Krieg eskalieren, befürchten Wissenschaftler.

SARAH BRESSAN (Politikanalystin):
Zusätzlich zu dieser politischen Polarisierung, wo sowieso schon unterschiedliche Gruppen gegeneinander aufgeheizt [aufgehetzt] sind, wenn dann Falschinformationen dazukommen mit ’ner Technologie, die ’ne emotionale Ebene anspricht, mit audiovisuellem Inhalt. Man weiß nicht, haben die politischen Gegner jetzt wirklich zu Gewalt aufgerufen oder bestimmte Dinge gesagt. Da ist nicht die ... das passiert ... Medienkonsum nicht in ’nem ruhigen Umfeld, wo man schaut: Was stimmt, was stimmt nicht? Also da, glaub ich, kann es schon sehr verheerende Effekte haben.

SPRECHERIN:
Hinzu kommt laut Bressan die Gefahr, dass Menschen irgendwann automatisch davon ausgingen, dass Medieninhalte falsch seien, je weniger sie zwischen real und Fake unterscheiden könnten – katastrophal in einer Demokratie. Die Technologie verbieten? Unrealistisch: Längst nutzt die Spieleindustrie sie, um Avatare der Spieler zu erstellen. Auch Hollywood setzt große Hoffnungen in die Technologie. Denn Deepfakes können eine faszinierende neue Realität erschaffen. Schließlich war es noch nie so einfach, David Beckham in neun Sprachen vor Malaria warnen zu lassen.

DAVID BECKHAM (manipuliertes Video):
Malaria ist nicht irgendeine Krankheit. Es ist die tödlichste Krankheit, die es je gegeben hat. Und immer noch tötet sie alle zwei Minuten ein Kind. Ihre Stimme kann helfen, Malaria auszurotten. Erheben Sie Ihre Stimme und sagen Sie: Malaria muss ausgerottet werden.