Modernes Judentum – Frauen im Rabbineramt
Wie sieht modernes jüdisches Leben heute aus? Zwei Frauen in Berlin erzählen von ihren Erfahrungen. Die eine ist queer und lässt sich gerade zur Rabbinerin ausbilden. Die andere arbeitet bereits als Rabbinerin, musste anfangs aber um die Anerkennung in ihrer Gemeinde kämpfen.
SPRECHERIN:
Auch so sieht Judentum heute in Deutschland aus. Helene Shani Braun ist queer, bald Rabbinerin und auf Instagram aktiv. Dort postet sie über Religion, Sexualität und Berliner Lifestyle. Und vertritt damit eine Generation, die all das verbindet.
HELENE SHANI BRAUN (Rabbinerin in der Ausbildung):
Was viele Menschen ja in der Schule übers Judentum lernen, ist ja wirklich furchtbar. Also, sie lernen ja gar nichts. Oder sie lernen was über den Nationalsozialismus, aber nicht über lebendiges Judentum, wie es heute gelebt wird. Und deswegen ist das auch so ein bisschen dann mein Ziel geworden, einfach so jüdisches Leben zu zeigen.
SPRECHERIN:
Helene ist religiös aufgewachsen. Für sie sind einfach zu wenig Frauen in hohen Ämtern. Das will sie ändern. Nach ihrem Studium wird die 23-Jährige wahrscheinlich die jüngste Rabbinerin Deutschlands sein. Auch um eine Ansprechperson zu sein, die sie selbst nie hatte.
HELENE SHANI BRAUN:
Für mich ist ganz klar, dass niemand sich zwischen seiner jüdischen und seiner queeren Identität unterscheiden … entscheiden soll, denn du kannst es dir eben nicht aussuchen, du wirst ja mit deiner Sexualität geboren oder du entwickelst dich mit deiner Sexualität. Und wenn du jüdisch bist, dann sollst du auch beides leben können.
SPRECHERIN:
Dass man in der jüdischen Gemeinschaft so weit gekommen ist, ist auch Frauen zu verdanken wie Gesa Ederberg. Sie musste noch dafür kämpfen, überhaupt als Rabbinerin anerkannt zu werden.
GESA EDERBERG (Rabbinerin in der Neuen Synagoge Berlin):
Es gab Leute, die den Raum verlassen haben, wenn ich ihn betreten habe. Ich hab‘ dann irgendwann dafür gesorgt, dass ich immer früh genug da war, weil dann saß ich schon, und dann mussten die anderen überlegen, ob sie sich dazusetzen oder nicht.
SPRECHERIN:
Gesa Ederberg ist zum Judentum konvertiert. Nun leitet sie die Neue Synagoge in Berlin Mitte. In Berlin gab es auch die erste Rabbinerin überhaupt – Regina Jonas. Sie war allerdings nur Religionslehrerin, die zusätzlich rabbinisch-seelsorgerische Betreuung übernehmen durfte.
GESA EDERBERG:
Da ist sie. Und man sieht ja auch quasi das Zentrale, was sie auch betont: Gott hat nicht nach dem Geschlecht gefragt. Also sie wollte einfach „Rabbiner-IN“ sein. Sie blieb die einzige. Das hat aber mit der Shoah zu tun. Es gab wohl andere junge Frauen, die in die gleiche Richtung gedacht und geträumt haben. Und für mich ist es einfach wunderbar, nicht die erste zu sein.
SPRECHERIN:
Was immer mitschwingt als Jüdin in Deutschland: die Geschichte der Shoah. Auch Regina Jonas wurde von den Nazis ermordet. Sie musste ihren Glauben mit dem Leben bezahlen. Und heute?
GESA EDERBERG:
Der Antisemitismus ist lauter geworden, ist vor allem auch unverschämter geworden und versteckt sich ja häufig hinter so einem: „Man muss doch noch mal sagen dürfen.“
SPRECHERIN:
Judentum heute ist so vielfältig wie seit Jahrzehnten nicht mehr in Deutschland. Leute wie Helene wollen sich das nie wieder nehmen lassen.