Manuskript

Schiffswracks bedrohen die Ostsee

Tausende alte Schiffe liegen seit Jahrzehnten auf dem Grund der Ostsee. Im Laufe der Zeit zerfallen sie, und Öl und andere giftige Chemikalien gelangen ins Meerwasser. Benedykt Hac untersucht solche Wracks. Er sagt, wenn sie nicht bald geborgen werden, dann droht eine ökologische Katastrophe.

SPRECHER:
Benedykt Hac – hier rechts – und seine Crew nähern sich gerade wieder mal einem Wrack, einem gesunkenen, alten U-Boot. Sie scannen es mit einem Sonar, einer Art Unterwasserradar

BENEDYKT HAC:
Okay, also jetzt fahren wir über das Wrack. Ja genau, wir fahren jetzt entlang des Rumpfes des U-Boots. Ich schätze, dass in polnischen Gewässern etwa 5000 Wracks sind. Wir kennen erst etwa 20 Prozent der Fläche des Meeresbodens, der zu Polen gehört.

SPRECHER:
Also 80 Prozent unerforschter Meeresboden – und vielleicht Tausende Schiffswracks, die den Meeresgrund mit giftigen Chemikalienbedecken, die meisten aus dem Zweiten Weltkrieg. Eines der giftigsten Wracks hat Benedykt Hac entdeckt: Die „Stuttgart“, einst vornehmer Passagierdampfer, dann Lazarettschiff in Hitlers Kriegsmarine. Im Herbst 1943 bei einem amerikanischen Luftangriff versenkt.

BENEDYKT HAC:
Auch Schiffe, auch Wracks zerfallen. Die Konstruktion bricht einfach auseinander.

SPRECHER:
Das Sonarbild zeigt das Wrack der „Stuttgart“, eher ein Trümmerfeld auf dem Meeresgrund. Aber was Hac rund um das zerstörte Schiff gefunden hat, ist noch viel erschreckender. Die Forscher haben Proben vom Meeresboden genommen und an die Oberfläche geholt. Aus der Baggerschaufel tropft es schwarz und klebrig: Schweröl aus dem Wrack der „Stuttgart“. Das Öl ist schwerer als Wasser, darum trieb es nicht an die Oberfläche, sondern sickerte über die Jahrzehnte in den Boden.

BENEDYKT HAC:
Wir stehen hier am Rande einer ökologischen Katastrophe.

SPRECHER:
Der Befund: Mehr als 400.000 Quadratmeter des Meeresbodens sind mit Kraftstoff überflutet. Das entspricht der Größe von etwa 40 Fußballfeldern. Der 80 Jahre alte Treibstoff ist als Ölspur auf der Wasseroberfläche zu erkennen. Nur eine Frage der Zeit, wann er an die Strände gespült wird.

BENEDYKT HAC:
Das ist ein Ort, an dem ich viele Jahre meines Lebens verbracht habe. Oft bin ich am Strand zum Spazieren, auch mit meiner Frau. Unsere Enkelin kommt auch zu uns, mit der wir gerne zum Strand gehen. Es wäre ein unwiederbringlicher Verlust, wenn wir das nicht mehr machen könnten.

SPRECHER:
Bergen können Hac und seine Leute die giftigen Hinterlassenschaften des Krieges nicht. Überhaupt ist unklar, wer für so eine millionenschwere Aufgabe zuständig ist. Es sind überwiegend deutsche Schiffe, die in den polnischen Hoheitsgewässern liegen. Andere Ostseeanrainerstaaten wie Finnland, Schweden, Deutschland haben vereinzelt Wracks geborgen, aus ihren Hoheitsgewässern. Polen noch nicht. Benedykt Hac sagt, bis jetzt fehle das Wissen und niemand habe die Initiative ergriffen.

BENEDYKT HAC:
Manche sagen, dass die Fische aus dieser Gegend gar nicht mehr in Öl gebraten werden müssen, weil sie das Öl schon beinhalten. Aber das ist ein böser Witz.

SPRECHER:
Die meisten Menschen sehen Wasser, wenn sie aufs Meer schauen, nur Wasser. Benedykt Hac hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Blick im Wortsinn unter die Oberfläche zu lenken.