Manuskript

Staatshilfen für Großunternehmen: zum Wohle aller?

In Zeiten von Corona haben viele Unternehmen wirtschaftliche Schwierigkeiten. Jetzt sollen sie staatliche Unterstützung bekommen. Große Summen Steuergelder fließen in große Unternehmen. Doch warum knüpft der Staat keine Bedingungen an die Hilfen? Bürgerinitiativen kritisieren, dass der Staat zusieht, wie Unternehmen Steuern vermeiden und zu wenig für den Klimaschutz tun. Dabei wäre die staatliche Finanzhilfe eigentlich eine Chance, Auflagen durchzusetzen. So könnten die Steuergelder zum Wohle aller eingesetzt werden.

SPRECHERIN:
Seit Wochen: Corona-Ausnahmesituation. Menschen sind verunsichert, Firmen haben keine Einnahmen, die Regierung muss einspringen.

KONRAD DUFFY (Bürgerbewegung Finanzwende):
Wenn der Staat so viel Geld mobilisiert – Steuergelder – dann ist es absolut legitim, hier ein paar Kriterien aufzustellen.

SPRECHERIN:
Milliardenschwere DAX-Konzerne fordern staatliche Unterstützung – wie die Lufthansa, Deutschlands größte Airline. Bürgerinitiativen protestieren gegen die Rettung. Der Vorwurf: Die Lufthansa verschiebe gleichzeitig Gewinne in Steueroasen.

MANN AUF DEMONSTRATION:
Das ist ja dann so, als wenn man dem Notarzt bei der Rettung in die Tasche greift.

SPRECHERIN:
Ich frage mich, wenn wir alle, wenn die Allgemeinheit für große Unternehmen zahlen soll, müsste der Staat dann nicht auch mehr Bedingungen stellen?

CLAUDIA KEMFERT (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung):
Wir sind in einer veränderten Welt, wir brauchen gemeinschaftliche Solidarität.

SPRECHERIN:
In der Krise zeigt er sich spendabel: Enorme Summen fließen in alle Branchen. Autovermieter Sixt bekommt einen Staatskredit von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Elektronikhändler Ceconomy, Mutterkonzern von MediaMarkt und Saturn, kann auf rund 1,7 Milliarden zurückgreifen. Tourismuskonzern TUI bekommt Staatshilfen von über 1,8 Milliarden, Sportartikelhersteller Adidas rund drei Milliarden Euro.  Mit Abstand am meisten geht an die Lufthansa: neun Milliarden Euro in Form von Aktien. Der Staat beteiligt sich zu 20 Prozent an der Fluggesellschaft. Sonst würde Deutschlands größte Airline die Corona-Krise wohl nicht überleben. Seit März ist der weltweite Reiseverkehr um 80 Prozent eingebrochen. Laut CEO Carsten Spohr verliert die Lufthansa pro Stunde über eine Million Euro. Die Teilverstaatlichung gibt der Regierung nun ein Mitspracherecht. Sie versichert jedoch laut Lufthansa: „… die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte nur in Ausnahmefällen wie dem Schutz vor einer Übernahme auszuüben.“ Doch warum eigentlich? Wäre eine staatliche Beteiligung nicht eine Chance gewesen, um zum Beispiel Auflagen für den Klimaschutz durchzusetzen?

CLAUDIA KEMFERT:
Ja, die Lufthansa hätte, genau wie in Frankreich auch, die Auflage bekommen sollen, die Emissionen zu senken. Wenn man schon derart hohe Mengen an Geldern, an Finanzhilfen, an Wirtschaftshilfen bereitstellt, Steuergelder, dann muss auch ein Unternehmen alles dafür tun, dass wir die Pariser Klimaziele erfüllen. Das ist auch eine Riesenchance für die Unternehmen selber, weil die Geschäftsmodelle, die sie haben, sind nicht zukunftsfähig.

SPRECHERIN:
Die CO2-Emissionen zu senken, würde in Zeiten der Klimakrise allen zugutekommen. Der Protest richtet sich außerdem gegen die Steuerpraktiken der Unternehmen. Nach Recherchen der Bürgerbewegung Finanzwende hat die Lufthansa 92 Tochtergesellschaften in sogenannten Schattenfinanzzentren wie Irland, der Schweiz, Panama oder den Cayman Islands. Auf Malta, so die Aktivisten, ist ein Unternehmen registriert, das mit nur zwei Beschäftigten knapp 200 Millionen Euro Gewinn macht.

KONRAD DUFFY:
Wenn der Staat wirklich auch in einem Unternehmen dabei ist, muss er dafür sorgen, dass die Interessen der Steuerzahler, also der Bürger und Bürgerinnen, widergespiegelt werden. Einfach dass Unternehmen, große Unternehmen, die jetzt Gelder erhalten oder Hilfen erhalten, Transparenz schaffen über ihre Unternehmensstruktur: Wie sind sie aufgebaut? In welchem Land zahlen sie welche Steuern? Nur damit können wir wirklich wissen, dass Gewinne nicht verschoben werden, um Steuern hier zu vermeiden.

SPRECHERIN:
Der Staat habe die Aktien sehr günstig bekommen, verteidigt sich der Lufthansa-Chef: „Theoretisch könnte der Staat gleich nach seinem Einstieg mit hohem Gewinn wieder aussteigen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerzahler eine stolze Rendite bekommen wird.“

CLAUDIA KEMFERT:
Es ist absolut wichtig, dass man jetzt mit den Wirtschaftshilfen Nachhaltigkeit und Klimaschutz fördert. Und die Unternehmen, die das wirklich nicht verstanden haben, die werden sehr große Probleme bekommen. Die werden mit der Zeit vom Markt verschwinden.

SPRECHERIN:
Schon jetzt musste die Lufthansa den DAX verlassen, weil ihr Börsenwert in der Krise inzwischen zu niedrig geworden ist. Für mich ist hier eine Chance vergeben worden. Unternehmen stellen sich nur dann um, wenn es sich für sie lohnt. Wenn der Staat mit öffentlichen Geldern Unternehmen rettet, müssten die doch auch zum Wohle aller agieren, oder?

Manuskript