Manuskript

Streit um den Wolf

Vor hundert Jahren gab es in Deutschland noch Wölfe, doch dann wurden sie getötet oder vertrieben. Jetzt sind sie zurück. Bauern macht das Sorgen: Die Wölfe töten ihr Vieh und der Schutz vor ihnen ist teuer. Sie fordern mehr Hilfe vom Staat und möchten die Wölfe töten. Naturschützer wollen das verhindern. Sie glauben nicht, dass die Wölfe eine Gefahr sind. Denn es gibt nicht mal tausend Wölfe in Deutschland.

SPRECHER:
Sie jagen meist in der Dämmerung oder nachts, lautlos und im Rudel: Wölfe in Deutschland. 300 Tiere soll es geben allein in Brandenburg rund um Berlin – Tendenz steigend. Auch die Bauern merken immer deutlicher, dass der Wolf zurück ist. Die Rudel jagen neben Wildtieren auch ihr Vieh auf den Weiden. Der wirtschaftliche Schaden ist hoch. Für den Brandenburger Landwirt Jürgen Frenzel werden die Verluste durch den Wolf längst zur Existenzfrage.

JÜRGEN FRENZEL (Landwirt):
Die Wölfe werden meiner Meinung nach geschickter. Wir haben den Eindruck, dass sie ringehen in die Herde, die Herde jagen, und bei diesem Jagen separieren sie ein Kalb.

SPRECHER:
40 Kälber habe er 2017 verloren, zehnmal so viel wie im Jahr zuvor. Entschädigung gibt es nur, wenn der Wolf als Täter eindeutig nachgewiesen wird. Schwierig, wenn Kälber spurlos verschwinden oder eine Kuh ein Junges durch den Stress tot zu Welt bringt. Mit Zäunen sollen die Bauern selbst für Schutz sorgen, doch die Investitionen dafür sind hoch.

JÜRGEN FRENZEL:
Wenn wir für unsere zwei Herden mit insgesamt 180 Tieren den Zaun so wolfsgerecht bauen wollen, müssen wir knapp 100.000 Euro investieren. Und wir bekommen neuneinhalbtausend Euro ersetzt dafür.

SPRECHER:
Auf die Verluste der Bauern hat Brandenburg nun reagiert. Es gibt die Wölfe zum Abschuss frei, wenn sie trotz aller Schutzmaßnahmen so wie bei Jürgen Frenzel mehrfach Vieh eines Bauern reißen oder gar einen Menschen angreifen. Dem Wolf auf der Spur sind auch Naturschützer. Stefan Hoika verfolgt seit Jahren die Entwicklung eines Rudels in seiner Gegend und ist überzeugt: So dramatisch ist die Situation gar nicht. Und wenn der Wolf nicht durch Futter gelockt werde, meide er auch den Menschen.

STEFAN HOIKA (Naturschutzbund „Nabu“):
Sie sehen ’ne frische Wolfsfährte, die ist von letzter Nacht, wenige Stunden alt. Und mir ist es in neun Jahren fünf-, sechsmal passiert, dass ich mal einen sehen durfte. Aber in der Regel sind die so scheu. Sie beobachten uns, das kann ich mir vorstellen.

SPRECHER:
Hoika sieht sein Rudel meist nur durch die Fotofallen, mit denen er die Wölfe beobachtet.

STEFAN HOIKA:
Da dreht er sich um, weil er die Kamera auslösen hat hören. Den Blitz kann er nicht sehen, das ist ’n Schwarzblitz, halt sehr vorsichtig.

SPRECHER:
Die Tiere müssten ihren Platz in Brandenburg haben, sagt der Naturschützer. Wölfe mit Behördenerlaubnis zu schießen, das sei noch gar nicht nötig und Panikmache.

STEFAN HOIKA:
’ne artgeschützte Tierart, die streng unter Schutz steht. Und bei den paar Wölfen, die wir hier haben ... Man muss nicht immer alles hochmultiplizieren, was hätte, wäre, wenn, wenn wir 30 Prozent Zuwachsraten haben im Jahr. Ich kann das alles nicht mehr hören. Wir haben’s noch nicht, wir haben noch nicht mal 1.000 Stück in Deutschland.

SPRECHER:
Nicht mal 1.000 Wölfe – den meisten Jägern ist das noch zu viel. Der Brandenburger Jagdverband fordert strengere Regeln. Das große Raubtier passe nicht in die moderne Kulturlandschaft. Nötig seien feste Abschussquoten. Und die Jäger wollen freier entscheiden, wann ein Tier geschossen werden muss. Einigen würde sogar nur ein einziges Rudel in einem deutschen Reservat reichen.

FRANK FEIMANN (Jäger):
Ein Rudel sind vier bis sechs Tiere, und die können da nachhaltig leben. Die können da ihre Jungen großziehen, die können da haushalten. Und dann, ich denke, ist das ’ne gute Sache und dürfte eigentlich auch allen gerecht werden. Und wer dann mehr Wölfe sehen will, der soll in den Zoo gehen.

SPRECHER:
Positionen, die unvereinbar sind mit den Wünschen der Tierschützer. Im Streit zwischen Jägern, Bauern und Naturschutzverbänden droht eine wirksame Strategie für eine künftige Wolfspopulation auf der Strecke zu bleiben.

STEFAN HOIKA:
Wir müssen weiter daran arbeiten, bis es besser wird.

REPORTER:
Alle miteinander?

STEFAN HOIKA:
Auf jeden Fall. Also, wenn ich sehe, wie ich hier mit der Jägerschaft zusammenarbeiten kann, ist das ein Vorzeigeprojekt, so was habe ich noch nicht erlebt. Meistens trifft man nur auf Widerstand: „Scheiß Wölfe, knallt die alle ab.“ Kann ich nur mit dem Kopf schütteln.

SPRECHER:
Vor 100 Jahren wurden die Wölfe in Deutschland vertrieben. Die Tiere in Natur und Landschaft nun wieder zu integrieren, trotz der dazugehörenden Schäden – diese Aufgabe kann nur der Mensch leisten.

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