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TU Cottbus: Konzept gegen Rechtsextremismus

Universitäten leben vom internationalen Austausch. Cottbus im ostdeutschen Brandenburg zieht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt an. Von den 6800 Studierenden der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) kommen etwa 44 Prozent aus dem Ausland, aus mehr als 120 Ländern. Doch viele machen sich Sorgen, denn die AfDkönnte bei den Landtagswahlen im Herbst 2024 viele Stimmen gewinnen.

 

SPRECHERIN:

Die indische Studentin Abhirami Vinod Manju ist froh, hier einen Studienplatz ergattert zu haben. Schon zu DDR-Zeiten hatte die Technische Universität in der ostdeutschen Stadt Cottbus einen sehr guten Ruf. Heute bewerben sich mehr Studenten aus der ganzen Welt, als die Universität aufnehmen kann.

ABHIRAMI VINOD MANJU (Studentin):
Cottbus ist die einzige Universität in Deutschland, die einen Master in Künstlicher Intelligenz anbietet, und das in einem englischsprachigen Studiengang. Deshalb habe ich mich entschieden, nach Cottbus zu kommen. Die Uni bietet ein vielfältiges und anspruchsvollesStudienprogramm an.

SPRECHERIN:
Ahsan Hayat wurde in Pakistan geboren. Fast die Hälfte aller Studenten kommt wie er aus dem Ausland, vor allem aus Indien, Pakistan und Bangladesch. Der 33-Jährige promoviert in Experimenteller Physik. Auch Ahsan schätzt es, dass die Universität so international und weltoffen ist.

AHSAN HAYAT (Doktorand):
Wir haben hier ein vertrauensvolles Miteinander und können unsere Anliegen einbringen. Sie helfen und zeigen uns, was wir tun können.

SPRECHERIN:
Es gibt nur ein Problem: Auch wenn man hier in der Innenstadt von Cottbus keine rechten Schmierereien sieht – die Umgebung der Universität ist alles andere als weltoffen. Bei den Landtagswahlen im September könnte die in Teilen rechtsextreme Partei AfD ebenso wie in zwei anderen ostdeutschen Bundesländern stärkste Kraft werden. Die Cottbusser AfD-Kandidaten werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie aggressiv die Stimmung ist, zeigte sich auch, als die Kandidatin der Christdemokraten aufgrund ihrer Hautfarbe rassistisch angegriffen wurde. Die Präsidentin der Technischen Universität weiß, dass außerhalb des Campus ein zunehmend fremdenfeindliches Klima herrscht.

GESINE GRANDE (Präsidentin BTU Cottbus-Senftenberg):
Weil sich hier über sehr lange Zeit rechtsextreme Netzwerke, Vereine und Organisationen auf eine besondere Weise miteinander vernetztund vermengthaben. Und das schafft auch ein besonderes Milieu. Nicht umsonst guckt auch der Verfassungsschutz immer wieder hier in die Region und versucht eben auch zu beleuchten, was innerhalb dieser Netzwerke passiert.

SPRECHERIN:
Abhirami hatte bisher keine Probleme – weder auf dem Campus noch in der Stadt. Doch an der Uni tauchten immer mal wieder rechtsextreme Sticker auf, Rechte versuchten, Räume für ihre Veranstaltungen an der Uni zu bekommen. Oder bekannte Rechtsextreme schrieben sich ein, um Einfluss auf die Diskussionen zu bekommen.  

ABHIRAMI VINOD MANJU:
Wir wollen nicht in einer ausländerfeindlichen Umgebung leben. Wir wollen akzeptiert werden wie in Cottbus. Bis jetzt ist die Stadt sehr einladend und angenehm. Ich weiß nicht, ob das noch der Fall ist, wenn die Rechtsextremen Oberhand bekommen. Wir haben wirklich Angst. Es ist eine Bedrohung in unserem Leben.

SPRECHERIN:
Um dagegenzuhalten, entwickelte die Cottbusser Uni ein Konzept gegen Rechtsextremismus – als erste in Deutschland. Workshops, Aufklärung über rechte Symbole, klare Ansagen wie das Motto auf der Bank: Kein Platz für Rassismus. Cottbus leistete Pionierarbeit.

GESINE GRANDE:
Vor diesem Hintergrund werden wir jetzt auch mit anderen Universitäten deutschlandweit gemeinsam ein Handlungskonzept für deutsche Universitäten im Umgang mit rechtsextremer Einflussnahme erarbeiten.

SPRECHERIN:
Ahsan lebt seit neun Jahren in Cottbus, ist verheiratet, hat mittlerweile zwei Kinder. Ob in der Nachbarschaft oder beim Fitnesstraining: Bisher hat er keine Anfeindungen erlebt. Aber die Aussicht, dass die Rechten bei der Wahl die meisten Stimmen bekommen könnten, besorgt ihn.

AHSAN HAYAT:
Unsere Kinder sind hier geboren. Sie wachsen hier auf, trotzdem weiß niemand, ob sie in Deutschland geboren sind oder in Pakistan. Weil sie so aussehen, wie sie aussehen. Und auf der Straße könnten sie irgendwann in Gefahr sein. Deshalb haben wir Angst davor, was die Zukunft für unsere Kinder bereithält.

SPRECHERIN:
So geht es auch anderen Studenten. Die Hochschulpräsidentin fürchtet um den guten Ruf ihrer Universität im Ausland. Die AfD selbst, die fürchtet sie nicht.

GESINE GRANDE:
Selbst wenn es unter extremen Umständen jemals eine AfD-geführte Regierung gäbe, gibt es immer noch so was wie eine Hochschulautonomie. Und kein Politiker keiner Couleur kann uns sagen, was wir forschen oder lehren sollen, wie wir hier unser Campusleben gestalten. Niemand! Das ist verfassungsrechtlich geschützt und das ist auch gut so.

SPRECHERIN:
Abhirami und Ahsan würden gerne ihre Zukunft in Cottbus planen. Die Region braucht sie dringend. Bei den Landtagswahlen steht also für alle eine Menge auf dem Spiel.

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