Ukraine: Hilfe aus Polen und Deutschland
In Frankfurt an der Oder werden Spenden für einen Hilfskonvoi gesammelt, in Slubice in Polen Unterkünfte an Geflüchtete vermittelt: Die Hilfsbereitschaft für die Ukrainerinnen und Ukrainer ist groß. Einige der Helferinnen und Helfer haben selbst Krieg erlebt.
SPRECHER:
Mike Friedrich versucht, den Überblick zu behalten.
MIKE FRIEDRICH:
Na, hier ist so: Nahrungsmittel und Hygiene. Und Klamotten bleiben draußen. Was?
SPRECHER:
Das Büro seines Pflegedienstes sieht aus wie das Lager eines Gemischtwarenladens. Gerade ist eine Tasche voller Babynahrung abgegeben worden: Spenden für die Menschen in der Ukraine. Kartons stapeln sich – und überall Freunde, die beim Packen helfen. Die Menschen hier in Frankfurt an der Oder, an der polnischen Grenze, berührt das Leid der Ukrainer sehr. Friedrich und seine Partnerin Boba Preuß Bojcic hatten gleich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine einen Spendenaufruf gestartet. Im Konvoi wollen sie die Hilfsgüter quer durch Polen bis an die ukrainische Grenze bringen.
BOBA PREUß BOJCIC:
Ich komme aus dem ehemaligen Jugoslawien. Ich habe als Kind Krieg erlebt. Meine Familie hat alles verloren, also wir hatten gar nichts gehabt.
SPRECHER:
Deshalb hat Mike Friedrich nicht lange gezögert, sondern alles stehen und liegen lassen und selbst losgelegt.
MIKE FRIEDRICH:
Ich hege weder Hass noch irgendwas anderes, sondern für mich zählt nur: Menschen, die Hilfe brauchen, die sollten Hilfe bekommen.
SPRECHER:
Gerade kommt eine Frau, die spenden möchte – für ihr Heimatland.
BOBA PREUß BOJCIC:
Ukrainerin?
TATJANA ALBRECHT:
Ukrainerin.
SPRECHER:
Verwandte von Tatjana Albrecht leben in Kiew, der Kontakt ist abgebrochen. Aber sie fühlt sich verantwortlich für sie.
TATJANA ALBRECHT:
Die Menschen haben Wünsche. Deswegen … Da ich praktisch momentan Zeit habe … Und ich sammle alles und gebe [es] da [ab], wo die Menschen Wünsche angegeben haben.
SPRECHER:
Die Hilfsbereitschaft ist riesengroß. Die Spenden stapeln sich. Auch Menschen, die keine Familie oder Freunde in der Ukraine haben, wollen helfen.
UTE KUPKE:
Das geht jeden was an, das steht vor unserer Haustür. Und es weiß ja keiner, wie weit der Krieg sich ausbreiten kann. Deswegen ist der Zusammenhalt ganz wichtig.
SPRECHER:
Auf der anderen Seite der Oder in Polen liegt Slubice. Hier ist Olena Pankiv-Bola unterwegs. Seit Tagen kann sie kaum schlafen. Auch sie stammt aus der Ukraine, hat in Polen einen kleinen Modeladen. Die Chefin sammelt Spenden und organisiert Wohnraum für geflüchtete Landsleute. In einem Hotel konnte sie zwei Frauen mit ihren Kindern unterbringen, kostenlos. Sie waren in der Nacht angekommen. Ihre Gesichter möchten sie nicht zeigen.
GEFLÜCHTETE FRAU:
Wir sind 48 Stunden unterwegs gewesen. Der Bus musste mit Vollgas aus der Stadt raus, dann sind hinter uns die Granaten eingeschlagen. Und unsere Männer mussten in den Krieg ziehen.
SPRECHER:
Über ihre Familie in der Ukraine kann sie nicht sprechen. Vor Olenas Laden fragt ein Gruppe Ukrainer an, ob sie Hilfsgüter mitnehmen sollen, nach Hause in den Krieg. Denn Viktor, Ladislaw und Irina wollen kämpfen, ihr Land verteidigen. Sie hätten keine andere Wahl, sagen sie. Denn sie wüssten, was Krieg bedeutet. Irina ist schon Großmutter.
IRINA:
Meine Tochter und auch meine Enkel leiden darunter, was die Russen gerade tun.
VIKTOR:
Ich weiß genau, was ich zu machen habe. Ich gehe, um mein Land zu schützen.
SPRECHER:
Wir werden es schaffen, sagt Irina, schließlich seien sie Patrioten. Olena ist voller Trauer und Wut über das, was in diesen Tagen mit ihrem Heimatland, ihren Landsleuten geschieht. Und sie ist überwältigt von der Solidarität mit ihrem Volk.
OLENA PANKIV-BOLA:
Sehr große Hilfe haben wir als Ukrainer bekommen, aus Polen und der ganzen Welt. Ich sage ein großes Dankeschön von meinem Herzen und vom Herzen der ganzen Ukraine.
SPRECHER:
Drüben in Frankfurt an der Oder werden die letzten Spenden und Hilfsgüter in die Autos gestopft. Geplant waren sechs Wagen, jetzt sind es 14 bis unters Dach gefüllte Lastwagen und Pkw. Sie fahren los, in Richtung Krieg.
BOBA PREUß BOJCIC:
Ich fühl mich gut, ich fühl mich tapfer und ich bin aufgeregt. Natürlich, das ist ’ne Riesensache, die wir jetzt machen.
SPRECHER:
Für den Rückweg haben sie auch einen Plan. Wenn es nach ihnen geht, fahren sie nicht mit leeren Autos zurück. Sie wollen so viele Geflüchtete aus der Ukraine mitnehmen, wie sie nur können, dann in Richtung Westen.