Manuskript

Venedigs Zukunft nach der Pandemie

Seit vielen Jahren hat Venedig Probleme mit dem Massentourismus. Gleichzeitig lebt
die Stadt vom Tourismus. Während der Pandemie hatten die Gondolieri keine
Fahrgäste, die Cafés sind geschlossen. Die Arbeitslosigkeit steigt, und die Menschen
ziehen aus der Stadt weg. Wie kann Venedigs Zukunft nach der Pandemie aussehen?

SPRECHER:
In einer Gondel die Kanäle hinabgleiten - selbst für den erfahrenen Gondoliere Maurizio Carlotto immer noch ein romantisches Erlebnis.

MAURIZIO CARLOTTO (Gondoliere):
Natürlich sind Frauen die beste Kundschaft, obwohl ich das nicht sagen sollte. Ganz gleich welcher Nationalität.

Er ist einer von Venedigs rund 600 Gondolieri. Normalerweise macht Carlotto drei Touren am Tag, aber seit Beginn der Pandemie ist er praktisch arbeitslos.

MAURIZIO CARLOTTO:
Seit Oktober habe ich eine einzige Fahrt gemacht.

SPRECHER:
Die Stadt erwacht gerade aus dem letzten Lockdown. Das weltberühmte Café Florian: Noch bleibt es unter der Woche geschlossen. Vor der Pandemie waren die Straßen voll mit Touristen aus der ganzen Welt. 20 Millionen Besucher im Jahr brachten der Stadt Geld und veränderten sie. Einige hoffen, dass nach der Pandemie ein Neuanfang folgt. Der Aktivist David Bozarro hat mit seiner Gruppe Venessia.com diese Tafel installiert. Er zeigt den Bevölkerungsschwund der Stadt.

DAVID BOZZARO (Aktivist):
50.965 ist die aktuelle Zahl der Menschen, die heute in Venedig leben.

SPRECHER:
Das sind 30 Leute weniger als in der Woche davor. Der Massentourismus treibt die Bewohner aus der Stadt. Aber das Problem liegt tiefer.

DAVID BOZZARO:
Venedig selbst leidet darunter, dass der Mangel an Touristen für viele Menschen einen Mangel an Arbeit bedeutet. Das erleben wir jetzt gerade. Wissen Sie, es ist eine merkwürdige Situation. Wir wollen nicht zu viel Tourismus, weil er den Ort ersticken würde. Gleichzeitig können wir ohne Tourismus nicht leben.

SPRECHER:
Dort, wo jeder auf die ein oder andere Weise vom Tourismus lebt, ist es schwierig, eine Balance zu finden. Der Tourismusbeauftragte der Stadt erzählt uns, die Situation sei nicht einzigartig für Venedig, wohl benötige Venedig aber eine einzigartige Lösung. 

SIMONE VENTURINI (Tourismusbeauftragter der Stadt Venedig):
In Venedig hat kein Ausverkauf stattgefunden. Alle beliebten Touristenstädte haben in den letzten Jahren erlebt, dass klare Regeln fehlen, um Teile der Stadt zu schützen. Es wäre nötig, bestimmte Gesetze einzuführen für Städte wie Venedig und Florenz, um für ein ausgewogenes Verhältnis von Touristen und Bewohnern zu sorgen.

SPRECHER:
Als einen ersten Schritt hat die Stadt damit begonnen, die Besucherzahlen genauer zu verfolgen. Im nächsten Jahr wird für Touristen eine Eintrittsgebühr fällig. Maurizio Carlotto hingegen vermisst, was manche die schlechte alte Zeit nennen würden.

MAURIZIO CARLOTTO:
Ich würde auch dahin zurückgehen, wie es vor zwei Jahren war, mit ein paar Leuten weniger vielleicht. Aber es war kein Massaker, wie sie immer sagen. Es war nachhaltig.

SPRECHER:
Die Debatte darüber, wie die Zukunft des Tourismus in der Stadt aussehen wird, ist noch lange nicht zu Ende geführt. Aber jetzt freut sich Venedig erst mal wieder auf Besucher.