Die musikalische Seite der Natur
Tiere und Pflanzen erzeugen ihre ganz eigenen Klänge. Und es gibt Musikschaffende, die diese Geräusche der Natur mit speziellen Geräten ausnehmen und daraus eine einzigartige Musik produzieren. Besonders beliebte Klangquellen sind das Summen von Bienen oder das Blätterrauschen des Waldes. Sogar von Weinpflanzen lassen sich die Musiker inspirieren.
SPRECHER:
Die Geräusche des Waldes, der Sound von Bienen und der Klang von Wein. Diese kreativen Köpfe machen auf ungewöhnliche Art Musik. In einem Wald bei München im Süden Deutschlands sammelt Sängerin Alexandra Cumfe keine Pilze, sondern Geräusche. Mit einem sogenannten Field Recorder nimmt sie den Klang der Natur auf.
ALEXANDRA CUMFE (Sängerin):
Ich suche gerne neue Klänge, kann einfach ganz viel ausprobieren. Und es ist wie so ein Spielkasten, indem man einfach verschiedene[s] Laub und Äste zusammenwirft und dann schaut: Was kommt dabei raus?
SPRECHER:
Und so klingt die Natur dann als Musik.
ALEXANDRA CUMFE:
Can’t be myself..
SPRECHER:
Für ihr Projekt „her tree“ verzichtet Alexandra Cumfe komplett auf herkömmliche Instrumente. 2021 veröffentlichte sie ihr erstes Album. Im Studio bearbeitet sie ihr über Jahre gesammeltes Naturmaterial. Produzent Max Spindler zerlegt die Klänge, verändert sie und setzt sie neu zusammen. So entstehen Percussions, Melodien oder Basslines.
MAX SPINDLER (Musikproduzent):
Es klingt nie gleich. Es klingt nie perfekt. Man kommt auch nie dahin, wo man... wo man gerne hinkommen würde, also was man sich vorstellt. Aber es passieren immer andere Sachen.
SPRECHER:
So melodisch kann Natur klingen. In Zukunft möchte Alexandra Cumfe mit Biologen zusammenarbeiten – für noch mehr Vielfalt in ihrer Musik. Imkerei und DJ-ing sind nicht unbedingt zwei Berufsfelder, die man sofort miteinander in Verbindung bringen würde. Ganz anders bei Bioni Samp: Seine Musik setzt sich aus dem Summen von Bienen zusammen. Damit will er nicht nur coole Beats erzeugen.
BIONI SAMP (Musiker):
In den vergangenen Jahren gab es ein massives Insektensterben, und ich wollte dazu Position beziehen – mit meinen Auftritten und meiner Musik.
SPRECHER:
Eigentlich hat Bioni Samp Kunst und Design studiert. Schon während des Studiums startete er mit seiner experimentellen Musik, die er „Insectec“ nennt. Mit einer speziellen Software isoliert er die unterschiedlichen Frequenzen der Bienen.
BIONI SAMP:
Die Königin stößt ein hohes Pfeifen aus, die Arbeiterin bewegt sich im mittleren Frequenzbereich, und die Drohne, die männliche Biene, hat den tiefsten Basston.
SPRECHER:
Vom Londoner Park geht es ins heimische Studio. Die Bienensounds werden von Bioni Samp analysiert und mittels diverser Synthesizer zu einem Track arrangiert. Der Brite hat mit seinen Klanginstallationen die ganze Welt bereist – unter anderem das Kunstfestival ARS Electronica im österreichischen Linz oder die Medienkunst-Biennale im polnischen Breslau. Seine Sounds kommen besonders bei jungen Menschen gut an und schärfen gleichzeitig das Bewusstsein für das Bienensterben. Diese Musik ist aus diesem Wein entstanden. In einem Tonstudio im französischen Lyon versuchen die Musik- und Weinexpertin Caroline Bourjade und der Komponist Marco Busetta dem Wein einen Klang zu entlocken. Dafür wurde ein eigener Algorithmus geschaffen.
MARCO BUSETTA (Komponist):
Ein Algorithmus ist eine Verbindung zwischen zwei verschiedenen Universen. Es ist ein System aus Formeln und Berechnungen, das eine Beziehung zwischen zwei unterschiedlichen Welten schafft. Unsere Idee war es, den Wein, den Klang und die Tonfarbe durch diesen Algorithmus zueinander in Beziehung zu setzen.
SPRECHER:
Der Algorithmus wird mit Daten gefüttert, wie mit der Hanglage des Weinbergs, seiner Höhe, dem Steigungsgrad der Rebsorte und der Farbe des Weins. Im Dorf Marchampt in der Region Beaujolais, eine Stunde von Lyon entfernt, liegt das Gut des Winzers Cyril Alonso. Er will wissen, wie sein Wein klingt.
CYRIL ALONSO (Winzer):
Ich glaube, er wird ein wenig nach dem Element Wasser klingen: etwas fein, jazzig. Nach etwas, das Freude bereitet.
SPRECHER:
Im Tonstudio in Lyon wird der Wein des Winzers vertont. Trotz der Datensammlung: Am Schluss braucht es einen Menschen, der eine Musik daraus komponiert. Nach gut vier Wochen ist die Musik fertig. Rund 5.000 Euro kostet eine Vertonung.
CYRIL ALONSO:
Das passt wirklich zusammen.
SPRECHER:
Die Musik will Cyril Alonso seinem neuen Jahrgang bei der Reifung in den Amphoren vorspielen.