Angst vor Corona im Flüchtlingscamp Moria
Das Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist überfüllt und damit
schon jetzt in einem unmenschlichen Zustand. Die Menschen im Camp und auch die
Helfer haben große Angst vor dem Coronavirus. Noch hat das Virus das Camp nicht
erreicht. Ärzte vermuten aber, dass man die Verbreitung des Virus im Camp, wenn es
erst einmal da ist, kaum stoppen kann.
SPRECHERIN:
Für 3000 Menschen war das Moria-Camp ursprünglich angelegt. Jetzt leben hier 20.000 Asylsuchende. Sie hausen in notdürftig zusammengeflickten Zelten, jenseits des offiziellen Lagers, im so genannten Dschungel. Mehr als 1000 Menschen teilen sich einen Wasseranschluss – und immer wieder funktioniert auch der nicht.
SADAR (Geflüchteter):
Oft kommen wir hier an und es gibt kein Wasser, dann müssen wir ohne wieder nach Hause gehen. Das ist unser tägliches Leben.
SPRECHERIN:
Der afghanische Arzt Sadar lebt in einem kleinen Zelt zusammen mit seiner Frau und seinen vier Kindern. Sie flohen vor dem Krieg in ihrem Land und sind jetzt auf Hilfe angewiesen. Das bedeutet auch Schlange stehen bei der Essensausgabe, stundenlang, dicht gedrängt. Abstand halten ist in Moria kaum möglich. Hilfsorganisationen halten das Camp für eine ideale Brutstätte für das Coronavirus.
FLORIAN WESTPHAL (Ärzte ohne Grenzen Deutschland):
Wir sind sehr besorgt. Es ist sehr eng in dem Lager, es gibt keine Seife. Hygiene gibt es quasi überhaupt nicht, und das ist besorgniserregend, denn das heißt, dass man eigentlich nichts machen kann, um das Virus zu stoppen, wenn es einmal im Camp ist.
SPRECHERIN:
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen betreibt hier am Rande des Camps ein Hospital. Es gibt kaum Corona-Testkits und längst nicht genügend Ärzte. Viele Patienten haben bereits Atemwegserkrankungen und sind geschwächt und damit besonders anfällig für das Coronavirus.
FLORIAN WESTPHAL:
Viele Menschen sind extrem verwundbar. Wir haben viele sehr kranke Kinder dort, die an chronischen Krankheiten leiden wie Epilepsie oder Diabetes. Andere haben ernste psychische Probleme und wir haben viele traumatisierte Erwachsene. All diese Menschen sind sehr anfällig für diese neue Bedrohung ihrer Gesundheit.
SPRECHERIN:
Die griechische Regierung sagt, man sei auf diese Bedrohung vorbereitet und es gäbe einen Corona-Notfallplan, doch den haben die Hilfsorganisationen in Moria noch nicht zu Gesicht bekommen. Deshalb setzen sie auf Selbsthilfe: Bei der kleinen NGO „Team Humantiy“ nähen Geflüchtete jetzt Atemschutz-Masken: 300 schaffen sie an einem Tag.
SALAM ALDEEN (Team Humanity):
Diese Freiwilligen sind großartig. Die Frauen sitzen hier von sieben Uhr morgens bis neun Uhr abends. Sie wollen helfen. Wir sagen ihnen: „Mach doch mal eine Pause“, aber sie wollen nicht. Sie wollen helfen, weil sie wissen, wie gefährlich das Virus ist. Jeder weiß um die extreme Gefahr.
FLORIAN WESTPHAL:
Ich denke, in dieser Krise kann es nur eine Lösung geben: Die Europäische Union muss jetzt alles nur Mögliche tun, um diese Menschen so schnell wie möglich zu evakuieren. Das Moria-Camp auf Lesbos ist kein Ort, an dem man Corona bekämpfen kann. Es muss jetzt gehandelt werden.
SPRECHERIN:
Doch die europäischen Länder schotten ihre nationalen Grenzen weiter ab. Viele Flüchtlinge haben deswegen Angst, dass sie in der Corona-Krise vergessen werden und Europa sie einmal mehr ihrem Schicksal überlässt.