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Manuskript

Leben in Deutschland, fünf Jahre nach der Flucht

Im Jahr 2015 sind Mustafa und Abeer Suleiman mit ihren drei Kindern aus Syrien geflohen. Die erste Zeit war nicht leicht für sie. Inzwischen haben sich die Kinder gut an das Leben in Deutschland gewöhnt. Auch die Eltern fühlen sich hier wohler als am Anfang. Aber Vater Mustafa leidet immer noch unter den schrecklichen Erinnerungen an den Krieg und unter der Trennung von seiner Familie. Und er hätte gern einen Job ...

SPRECHERIN:
Es ist kurz nach sechs am Morgen bei Familie Suleiman.

MUSTAFA SULEIMAN:
Hast du deine Zähne geputzt?

KARAM SULEIMAN:
Nein.

MUSTAFA SULEIMAN:
Nein? Immer noch nicht?

SPRECHERIN:
Mustafa Suleiman und seine Frau Abeer machen die vier Kinder für Kindergarten und Schule fertig.

KARAM SULEIMAN:
Ich hab das schon alleine gemacht!

MUSTAFA SULEIMAN:
Okay, okay. Alles gut!

SPRECHERIN:
Vor fünf Jahren sind die Suleimans nach Deutschland geflüchtet – vor dem Krieg aus Syrien. Mit den beiden Söhnen Joud und Karam und Tochter Lama. Der jüngste Sohn Sam ist in Deutschland geboren. Sie haben sich das Leben hier einfacher vorgestellt. Nach vier Jahren und unzähligen Umzügen haben sie nun erstmals ihre eigene Wohnung.

MUSTAFA SULEIMAN:
Langsam verbessert sich unsere Situation und wir fühlen uns immer wohler. Aber ich kann noch nicht sagen, dass es meine neue Heimat ist. Ich gewöhne mich immer mehr an das Leben hier und ich verstehe das Land immer besser.

SPRECHERIN:
Auf dem Weg zur Schule in Berlin-Spandau.

ABEER SULEIMAN:
Gib mir deine Hand, Sami, wir müssen über die Straße.

SPRECHERIN:
Lama geht gerne in die Schule.

LAMA SULEIMAN:
Weil ich auch ein bisschen besser in Mathe bin und langsam ist es mein Lieblingsfach geworden.

SPRECHERIN:
Schule und Kita – ein Fulltimejob für Mustafa und Abeer Suleiman. Sie unterstützen ihre Kinder rund um die Uhr, damit die Integration in die neue Sprache und Kultur auch klappt.

SPRECHERIN:
Das kostet sie viel Kraft – nach allem, was sie erlebt haben.

SPRECHERIN:
Rückblick: 2015 bereitet Mustafa Suleiman seine Kinder in der Türkei auf die Flucht im Schlauchboot übers Mittelmeer vor. Über die Balkanroute erreicht die Familie nach Wochen Deutschland – festgehalten in einer Reportage der Deutschen Welle. Die Flucht und der Krieg haben Spuren hinterlassen, bis heute. Mustafa Suleiman wurde bei einem Bombenangriff verwundet. Er durchlebt seither Todesängste, muss regelmäßig in Therapie.

PROF. DR. MERYAM SCHOULER-OCAK (Psychiaterin und Psychotherapeutin Universitätsklinik Charité):
Hallo, Herr Suleiman.

MUSTAFA SULEIMAN:
Ja. Hallo.

PROF. DR. MERYAM SCHOULER-OCAK:
Guten Tag. Kommen Sie bitte mit?

MUSTAFA SULEIMAN:
Ja.

PROF. DR. MERYAM SCHOULER-OCAK:
Nehmen Sie bitte Platz, Herr Suleiman? Heute haben Sie den Termin bei mir, weil Ihr behandelnder Arzt, Dr. Tsagkas, ja in Urlaub ist. Ist das in Ordnung?

MUSTAFA SULEIMAN:
Okay, kein Problem.

SPRECHERIN:
[Mustafa] Suleimans Mutter ist vor zwei Wochen in Syrien gestorben. Dass er nicht bei ihr sein konnte, quält und zerreißt ihn, erzählt er.

MUSTAFA SULEIMAN:
In den letzten Wochen war sie sehr krank und sie wurde dann ins Krankenhaus gebracht. Ich habe versucht, mit ihr zu sprechen, aber sie konnte nicht mehr sprechen und sie hat mich auch nicht mehr erkannt.

SPRECHERIN:
Die Bindung zu seiner Familie ist sehr eng. Der Vater starb, als Mustafa Suleiman 14 Jahre war. Als Ältester hat er früh Verantwortung übernommen. Die Mutter zog neun Kinder alleine groß.

PROF. DR. MERYAM SCHOULER-OCAK:
Muss ja ’ne starke Frau gewesen sein.

MUSTAFA SULEIMAN:
Ja, eine sehr starke Frau, sehr stark.

PROF. DR. MERYAM SCHOULER-OCAK:
Herr Suleiman, Sie haben sehr viele furchtbare Dinge erlebt, viele Schmerzen ertragen. Aber ich denke, dass Sie’s wirklich gut machen jetzt – in die Zukunft gucken, in die Zukunft schauen, sich um die Familie, um Ihre Kinder, um sich selbst kümmern, aber auch um den Bruder. Ich denke, das machen Sie wirklich gut. Und da können Sie auch stolz auf sich sein.

SPRECHERIN:
[Mustafa] Suleiman fällt es noch schwer, seinen Platz in Deutschland zu finden. Viele Syrer, die er hier kennt, arbeiten oder haben sich selbständig gemacht. So wie Ahmad Nanaa: Er leitet die Filiale eines Restaurants.

AHMAD NANAA (Gastronom):
Es braucht Zeit, bis sich etwas entwickelt. Aber Gott sei Dank: Unser Restaurant ist jetzt sehr bekannt und hat einen guten Ruf. Wenn du irgendjemanden fragst, sagen sie dir: „Wow! Das Restaurant ist toll und es läuft gut.“

MUSTAFA SULEIMAN:
Jaja, das Restaurant ist bekannt für das gute Essen. Und es ist sehr sauber und als Gast wirst du gut behandelt.

SPRECHERIN:
Mustafa Suleiman will bald auch anfangen zu arbeiten, doch sein Deutsch muss noch besser werden. Das fällt seinen Kindern leichter. Für sie ist Berlin schon zur Heimat geworden.

SPRECHERIN:
Joud will Ingenieur in Berlin werden, aber sich auch um das Haus der Familie in Syrien kümmern.

JOUD SULEIMAN:
Weil das wurde von einer Rakete erschossen [getroffen]. Deswegen will ich es mit Papa reparieren.

KARAM SULEIMAN:
Mach deine Hand weg! Du liebst nur mich!

MUSTAFA SULEIMAN:
Oh, ich liebe euch doch beide, ich liebe euch alle!

Was passt wo?

Noch immer fliehen Menschen aus ihrer Heimat. Einige fahren in einem medium über das Mittelmeer. Oft kommen sie aus Kriegsgebieten und haben Schreckliches erlebt: Eine medium hat ihr Haus getroffen oder sie haben Angehörige bei einem medium verloren. Manchmal hilft eine medium dabei, diese Erlebnisse zu verarbeiten. Trotzdem ist die medium in der neuen Heimat nicht immer leicht.

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