Bürokratische Hürden bei der Energiewende
Erneuerbare Energien sollen so schnell wie möglich ausgebaut werden. Das hat die Regierung versprochen. Doch in Deutschland geht vieles langsamer, als es sich Unternehmen und Auftraggeber wünschen. Oft liegt das an der Bürokratie.
SPRECHER:
Diese Baustelle steht für eine deutsche Revolution. Hier entsteht ein neuer Solarpark nahe Berlin. Und er wurde in sechs Monaten von den Behörden genehmigt, Rekordzeit vermutlich. Kommt Deutschlands Energiewende nun schnell voran, wie von der Regierung geplant?
GUNAR HERING (Vorstandsvorsitzender ENERTRAG SE):
Tatsache ist, dass es aktuell sehr, sehr viel Spielraum nach wie vor gibt, vereinzel[t]e Genehmigungsverfahren aufzuhalten.
SPRECHER:
Unter anderem durch den Denkmalschutz.
GUNAR HERING:
Wenn irgendwo auf ‘m Acker irgendwo ‘n Hügel ist, den also kein Laie jemals als Denkmal überhaupt erkennen würde, das dann dazu führt, dass da in mehreren Kilometern Umfeld darum letztendlich kein erneuerbare[r] Ausbau stattfinden kann. Das sehe ich jetzt eher als, ich sage mal, Verhinderungspolitik und nicht nach vorn gedacht.
SPRECHER:
Und wie sieht bei der Windkraft aus? Deutschlands wichtigster Stromlieferant unter den erneuerbaren Energieträgern? Eine Genehmigung dauert im Schnitt fünf Jahre – das bremst den Ausbau noch.
HERMANN ALBERS (Präsident des Bundesverbands Windenergie):
Insgesamt kann man sagen: Wir sind auf einem leichten Zuwachspfad beim … bei der installierten Leistung in der Windenergie. Aber wir brauchen, um die Ausschreibungsvolumen der Zukunft zu füllen, natürlich deutlich mehr. Wir werden in diesem Jahr vielleicht 2.500 Megawatt installierte … neue, installierte Leistung bei der Windenergie haben. Im nächsten Jahr werden 12.000 Megawatt ausgeschrieben. Das macht ungefähr die Dimension deutlich, vor der Deutschland steht, und wo die Behörden jetzt sozusagen ein anderes Arbeitstempo brauchen.
SPRECHER:
Auch beim Ausbau der Stromnetze kommt Deutschland kaum voran. Ohne neue Netze aber keine Energiewende. Dabei hat die Regierung vieles vereinfacht, doch bei der Umsetzung hapert es oft. In der Branche heißt es: Gut gemeint, aber nicht ausgereift.
GUNAR HERING:
Bis die Maßnahmen tatsächlich Wirkung ergreifen werden, gehen wir davon aus, dass tatsächlich zumindest, was jetzt große Solarparks und große Windparks angeht, dass das mindestens drei bis vier Jahre bedarf, bis das tatsächlich Wirkung erzielt.
HERMANN ALBERS:
Ich bin mir sehr sicher, dass wir in der Mitte des nächsten Jahres sehen, dass der Aufbruch passiert.
SPRECHER:
Für den Aufbruch braucht‘s noch mehr – Regina Christ weiß das allzu gut. Sie ist Ingenieurin, betreut Energieprojekte. Sie bekommt mehr Anfragen als sie bewältigen kann. Im Alltag mangelt es an vielen Stellen.
REGINA CHRIST (Projektmanagerin eZeit Ingenieure):
Ganz viele Auftraggeber möchten jetzt so schnell wie möglich, nur, dass jetzt in dem Sinne weder Ingenieurbüros noch Fachkräfte in dem Maße zur Verfügung stehen, und auch Hersteller von Wärmepumpen oder erneuerbaren Energiesystemen erst hochskalieren müssen. Also, der Marktanlauf muss jetzt hochgehen, um überhaupt das alles stemmen zu können, diese vielen Anfragen, die jetzt kommen.
SPRECHER:
Der Solarpark bei Berlin soll dieses Jahr Strom liefern – mit 20 Megawatt Leistung, wenn alle Materialien wie geplant geliefert werden. Deutschland nimmt Tempo bei der Energiewende auf, ist sich dabei aber noch ein bisschen selbst im Weg.