Manuskript

Wenn ein Roboter in die Schule geht

In der Corona-Zeit haben viele Schulen Erfahrungen gesammelt, wie man Technik für den Unterricht nutzen kann. Das  ist gut für Linus, der aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Schule gehen kann. An seiner Stelle nimmt ein kleiner Roboter am Unterricht teil. Er ist mit Linus’ Computer zuhause verbunden, und so fühlt es sich für den Jungen ein bisschen so an, als ob er selbst in der Klasse sitzen würde.

MANN (Lehrer):
Ja, hallo Linus! Schön, dass du auch dazu geschaltet bist. Wir haben dich schon in deine Arbeitsgruppe gesetzt. Also, es kann gleich losgehen.

AVATAR (Mini-Roboter von Linus):
Vielen Dank.

SPRECHERIN:
Das sind die Augen, Ohren und der Mund von Linus aus Berlin oder besser: sein Mini-Roboter. Der ermöglicht es dem kranken Siebtklässler, von zuhause am Unterricht teilzunehmen. Seit einem halben Jahr geht das schon so.

LINUS HARDUNG (Schüler):
In den Anfangstagen war es immer so, wenn ich mich gemeldet habe, um was zu sagen, war das immer so ‘n Adrenalinkick. Und es war aufregend dann, weil ich Angst hatte, irgendwas Falsches zu sagen und ...oder so. Einfach, weil es neu war und falls irgendwie die Verbindung schlecht ist oder so. Und jetzt ist es einfach eigentlich nur noch normaler Alltag geworden.

SPRECHERIN:
In Biologie steht eine Gruppenarbeit auf dem Stundenplan. Es geht turbulent zu.

AVATAR:
Ich hab‘ den Duden.

MÄDCHEN (Schülerin):
Ah ja, sehr gut.

AVATAR:
Ja.

SPRECHERIN:
Um von zu Hause den Überblick zu behalten, kann Linus per Touchpad die Kamera steuern. Nicht immer spielt die Technik dabei mit: Das Internet der Schule ist schwach, die Übertragung nicht immer die beste.

LINUS HARDUNG:
Ich muss noch mal ausloggen einmal, weil da ist ... ein Standbild wieder war.

SPRECHERIN:
Auch wenn es manchmal hakt: Vor der Anschaffung des Avatars war Homeschooling für den 13-Jährigen schwieriger.

SUSANNE HARDUNG (Linus‘ Mutter):
Dass er da dann auch keine Lust hatte, die Sachen zu machen und dann auch nicht eingesehen hat, warum das jetzt so sein soll. Es ist ja was ganz anderes, wenn der Lehrer einfach (im) oder die Lehrerin im Gespräch ist mit den Kindern oder die gemeinsam ‘ne Gruppenarbeit machen. Das macht viel mehr Spaß, als hier alleine vor ‘m Buch zu sitzen.

SPRECHERIN:
Ein angeborener Herzfehler und Lungenhochdruck hielten Linus schon während der Corona-Pandemie für anderthalb Jahre zu Hause – und vom Unterricht fern. Im Herbst finanzierte der Bundesverband Herzkranke Kinder seinen Avatar. Denn Schule wäre für Linus im Moment noch zu anstrengend.

SUSANNE HARDUNG:
Er kann auf ebener Strecke langsam gehen, das ist kein Problem. Treppensteigen ist problematisch. Und da es in der Schule keinen Aufzug gibt, muss er da halt wirklich ganz langsam machen.

LINUS HARDUNG:
Was auch ein großes Problem ist, ist halt so rennen. Oder auch einfach der Stress dann, wenn man den Klassenraum wechseln muss und dann die Treppen eben hoch. Deswegen ist der Avatar einfach super, dass ich diesen Stress mit dem Wechseln der Klassenräume nicht habe.

SPRECHERIN:
Dass Linus‘ Freunde den Roboter mit einem Spezialrucksack immer mal wieder mit in die Pause nehmen, ist durchaus erwünscht. Der Avatar soll nicht nur bewirken, dass langzeitkranke Kinder im Stoff bleiben. Es geht auch darum, sozial den Anschluss zu behalten.

AVATAR:
Jaja, ach so, ja, ich schicke euch allen noch mal meine Adresse.

LINUS HARDUNG:
Es fühlt sich einfach mehr [wie da] an, als ob ich da wäre, als wenn ich jetzt über ‘n Zoom-Meeting da bin oder überhaupt gar nicht Kontakt zu denen habe. Es fühlt sich deutlich mehr nach echtem In-die-Schule-Gehen [an].

SPRECHERIN:
Dieses echte Gefühl erwartet Linus dann endlich nach den Sommerferien. Seine Medikamente schlagen so gut an, dass er wohl bald wieder selbst in die Klasse gehen kann – und sein Avatar erst einmal in den Urlaub.