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Wie Gas aus Russland ersetzt werden kann

Ein großer Teil des Gases, das in Europa zum Heizen und Kochen verwendet wird, kommt aus Russland. Doch wenn Russland kein Gas mehr nach Europa liefert oder wenn Europa wegen des Ukraine-Kriegs auf russisches Gas verzichtet, ist die Versorgung in Gefahr. Was würde das für Wirtschaft und Privathaushalte in Deutschland bedeuten?

SPRECHER:
In Europa können die Winter kalt werden. Russland könnte den Gashahn zudrehen oder Europa sich entscheiden, kein Gas aus Russland mehr zu beziehen. Was bedeutet das? Können die Menschen dann noch kochen und heizen? Wird die Industrie ausreichend mit Gas versorgt? Eine wichtige Rolle spielen Erdgasspeicher, betrieben von Firmen wie VNG oder Uniper. Bis zu 25 Prozent des gesamten Jahresverbrauchs können in Deutschland in unterirdischen Lagerstätten gespeichert werden. Sollten Gaslieferungen tatsächlich ausbleiben, ist damit die Versorgung etwa drei Monate gesichert.

KLAUS-DIETER MAUBACH (CEO Uniper Deutschland):
Deutschland war und ist gesegnet mit großen Erdgasspeichern. Das ist eine außergewöhnlich gute Situation, in der wir sind, und die wir hoffentlich auch jetzt wieder für uns nutzen können.

SPRECHER:
Im Winter sind die Erdgasspeicher in der Regel gut gefüllt. Das zeigt die rote Wellenlinie. Die Reserven bauen sich zum April stark ab. Zum Sommer hin werden die Speicher wieder gefüllt. In diesem Jahr wurde aufgrund gedrosselter Lieferungen aus Russland deutlich weniger Gas gespeichert. Momentan betragen die deutschen Reserven gerade mal 33 Prozent. Ein Wettlauf hat begonnen. Viele Länder wollen vor einem möglichen russischen Gasembargo möglichst hohe Vorräte anlegen. Das soll nicht dem Markt überlassen werden. Deshalb wurde es in Deutschland per Gesetz geregelt.

KLAUS MÜLLER (Präsident der Bundesnetzagentur):
Dass bis zum ersten Oktober die Gasspeicher auf 80 Prozent, bis zum ersten November auf 90 Prozent gefüllt werden, das wird die Bundesnetzagentur monitoren, und viele Akteure im Markt sind jetzt gerade dabei, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, damit das Gesetz dann auch ab nächster Woche eingehalten werden kann.

SPRECHER:
Volle Gasspeicher sind aber nur ein Teil der Lösung. Wie sieht es also aus mit der Versorgungssicherheit insgesamt? Eine weitere Option ist Flüssiggas, das russische Lieferungen ersetzen kann. Ein Flüssiggastanker belädt ein schwimmendes LNG-Terminal. Von dort wird das Flüssiggas in eine unterirdische Pipeline gepumpt und erreicht das europäische Gasnetz. Die Flüssiggasterminals liegen überwiegend an den Küsten. In Deutschland wird gerade erst ein Flüssiggasterminal gebaut. Drei weitere sollen folgen. Die Länder Europas sind mit einem Gaspipelinesystem verbunden. Sie können sich gegenseitig helfen und LNG- sowie Gas-Reserven austauschen. Ein weiterer Vorteil, um von russischem Gas unabhängig zu werden.

PROF. CLAUDIA KEMFERT:
Europa ist ziemlich gut auf das Thema Gasimporte vorbereitet. Schließlich haben viele europäische Länder in den vergangenen Jahren ihre Importe diversifiziert. Insbesondere haben sie LNG-Terminals gebaut. Diversifizierungsstrategie bedeutet auch: Die Gasströme Europas fließen auch von West nach Ost und nicht nur von Ost nach West.

SPRECHER:
Deutschland und Europa sparen bereits und verbrauchen weniger russisches Gas als 2021. Um den Gasverbrauch weiter zu drosseln, müssen die Kohlekraftwerke hochgefahren werden. Trotzdem: Energie wird teurer für die Menschen und Betriebe. Welche Folgen hat das für die Wirtschaft?

PROF. CLAUDIA KEMFERT:
Unsere Szenarios besagen: Es gibt schwere negative Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt bei einem steilen Anstieg der Ölpreise und bei einem Gasmarkt mit Verknappungen. Doch die Befürchtung eines totalen Kollapses der Wirtschaft, sofern es nicht genug russisches Gas gibt, die wird nicht von unseren Szenarios bestätigt.

SPRECHER:
Aber eines ist sicher: Der nächste Winter wird für viele Menschen und Betriebe in Europa noch höhere Gaspreise mit sich bringen. Heizen wird teurer, und mancher wird es sich öfter am Kamin gemütlich machen müssen – wenn er denn einen hat.

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