Manuskript

Alkoholkonsum unter Jugendlichen

Ob Bier, Sekt, Alcopops oder Wodka: Nicht nur an Silvester trinken Jugendliche Alkohol – oft mehr als sie vertragen. Ärzte warnen vor den schädlichen Folgen und bringen ein Werbeverbot für Alkohol ins Gespräch.


Ein paar Bier, dann alkoholische Getränke, die einen wachhalten, um Mitternacht natürlich Sekt, und dann geht’s weiter mit sogenannten „harten“ Getränken, also solchen, die einen sehr hohen Alkoholgehalt haben. Gerade an Silvester ist es für die meisten völlig normal, viel Alkohol zu trinken – auch für Jugendliche. Alkoholvergiftungen gehören deshalb neben Brandverletzungen und Unfällen zu den häufigsten Gründen für einen Krankenhausbesuch in der Nacht vom 31. Dezember zum 1. Januar. Die Auswirkungen übermäßigen Alkoholkonsums schildert dieser 16-Jährige:

„Mir ging’s eigentlich gut, voll lustig drauf und so. Und dann auf einmal, da war ich voll müde und so. Hab nur auf’m Boden gelegen, da hab ich gekotzt , und dann, also erst haben die versucht, mir Brot zu geben, und das hab ich irgendwie ausgespuckt, und dann haben die mir Wasser über den Kopf gekippt. Ja, der Arzt hat gesagt, hätt ich zehn Minuten länger da gelegen, wär ich an Unterkühlung gestorben und so, ja.“

Dem 16-Jährigen ging es zu Beginn der Party noch sehr, umgangssprachlich voll, gut. Er war fröhlich, oder wie er es ausdrückt, voll lustig drauf. Irgendwann musste er sich jedoch heftig übergeben, kotzen, wie er umgangssprachlich formuliert. Seine Freunde versuchten, ihm zu helfen. So kippten sie ihm etwa Wasser über den Kopf. Weil er schon einige Zeit in der Kälte gelegen hatte, war er stark unterkühlt, seine Körpertemperatur war unter 30 Grad gesunken.

Wenn Jugendliche trinken, dann meist richtig. Ein Schlagwort dafür heißt „Binge-Drinking“, zu Deutsch „Rauschtrinken“ oder „Komatrinken“. Dabei wird sehr viel Alkohol in kurzer Zeit getrunken, bis man so betrunken ist, dass man schlimmstenfalls bewusstlos wird und ins Koma fällt. Besonders gefährdet dafür sind Jungen. Das hat nach Ansicht von Michaela Göcke von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung einen Grund:

„Es gehört zum Rollenverständnis von jungen Männern einfach dazu, viel Alkohol vertragen zu können. Das scheint noch immer so der Hauptgrund zu sein. Sie sind dann häufig auch in den Cliquen unterwegs mit den anderen Jungen.“

Für junge Männer ist die Tatsache, viel Alkohol vertragen zu können, ein Beweis ihrer Männlichkeit, meint Michaela Göcke. Das ist ihr Rollenverständnis. Hinzu kommt dann der sogenannte Gruppendruck. Wenn sie mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe, ihrer Clique, zusammen sind, würden sie als Schwächling gelten, wenn sie nicht genauso viel oder sogar mehr als andere trinken. Bei Mädchen gibt es dieses Verhalten, andere durch hohen Alkoholkonsum beeindrucken zu wollen, nicht. Beim Trinken von Alkohol holen aber auch sie auf. Die Alkoholindustrie ist daran nicht ganz unschuldig, sagt Marion Ammelung, Leiterin einer kirchlichen Suchthilfestelle:

„Die Alkoholindustrie hat sich vor einigen Jahren etwas überlegt, wie man die Zielgruppe der Mädchen erreichen kann. Und zwar ist das geschehen über die Alcopops , also diese süßen Getränke, die aber auch Wodka enthalten beispielsweise oder Rum, und die Mädchen erst mal diesen bitteren Beigeschmack nicht schmecken.“

Um bevorzugt junge Frauen als Konsumentinnen zu gewinnen, brachte die Industrie Ende der 1990er Jahre alkoholische Mischgetränke, sogenannte „Alcopops“, auf den Markt. Der englische Begriff setzt sich zusammen aus „alcohol“ und „pop“, dem Begriff für ein süßes, nicht alkoholisches Getränk. Der Zucker in der Limonade oder dem Fruchtsaft sorgt dafür, dass der zusätzliche bittere Geschmack, der Beigeschmack, des oft hochprozentigen Alkohols überdeckt wird. Chefarzt Dr. Helmut Hollmann kritisiert die Entwicklung, dass zunehmend auch Mädchen Alkohol trinken:

„Es ist in unserer Gesellschaft im Zuge von einer falsch verstandenen Emanzipation an vielen Stellen zu beobachten, dass junge Mädchen meinen, auch auf diese Art und Weise ihre Gleichberechtigung mit der Welt der Jungs darstellen zu können.“

Helmut Hollmann glaubt, dass Mädchen genauso trinkfest sein möchten wie Jungen. Für sie ist das ein Ausdruck von Gleichberechtigung und Emanzipation. In den Augen von Helmut Hollmann wird Emanzipation hier allerdings falsch verstanden. Denn besonders für Jugendliche ist Alkohol grundsätzlich gefährlicher als für Erwachsene, sagt Michaela Göcke:

„Das liegt daran, dass der jugendliche Körper noch nicht vollständig ausgebildet ist. Die Organe sind noch nicht so weit entwickelt, aber das betrifft vor allem auch die Hirnentwicklung. Das Gehirn entwickelt sich noch bis übers 20. Lebensjahr hinaus und ist in dieser Zeit der Entwicklung besonders empfindlich für Alkohol.“

Jugendliche, die oft und viel Alkohol trinken, schaden ihren Organen. Denn diese sind noch nicht so ausgewachsen wie bei Erwachsenen, sie sind noch nicht vollständig ausgebildet. So dauert es deutlich länger, bis beispielsweise die Leber Alkohol abgebaut hat, und das Gehirn kann dauerhaft geschädigt werden. Der Berliner Kinderarzt Ulrich Fegeler hat daher einen Vorschlag:

„Genauso wie es ein Verbot der Zigarettenwerbung gibt, sollte die Alkoholwerbung schlicht verboten werden. Es darf nicht für Suchtmittel geworben werden. Das ist die Botschaft, die wir klipp und klar haben: Alkoholwerbung müsste verschwinden.“

So wie Zigaretten kann auch Alkohol abhängig, süchtig, machen. Er gilt daher als sogenanntes Suchtmittel. Für Zigaretten darf in Deutschland seit November 2006 in Medien oder im Internet nicht mehr geworben werden. Ulrich Fegeler verlangt deutlich, klipp und klar, dieses Verbot auch auf Alkohol auszuweiten. Alkoholwerbung sollte ganz einfach, schlicht, verschwinden. Die Bundesregierung setzt eher auf Aufklärung. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wirbt mit einer Kampagne für gemäßigten Alkoholkonsum. Das Motto: „Alkohol? Kenn dein Limit“. Also: Trinken ja, aber wissen, wann man aufhören muss.