Als Taxifahrer unterwegs
Sie arbeiten, wenn andere schlafen – und schlafen, wenn andere arbeiten: Taxifahrer, die nachts ihre Fahrgäste von einem Ort zum anderen bringen. Manche lieben die Nachtarbeit, weil auf den Straßen weniger los ist.
„Ich bin Heiko. Ich komme aus Aurich, Ostfriesland und wohne seit 1988 in Berlin.“
Heiko ist ein Nachtmensch, der die Musik liebt und das Autofahren. Im Taxi lassen sich all diese Leidenschaften unter einen Hut bringen: Er fährt nachts und weiß immer genau, wo und wann in Berlin etwas los ist. Wenn man Heiko fragt, was ihn aus seiner kleinen Heimatstadt in die ferne Großstadt gezogen hat, dann verweist er auf die kulturelle Vielfalt Berlins – vor allem das Nachtleben, die Musikszene, die Kinos. Bereut hat er seine Entscheidung nie. Wer Taxi fährt, kriegt aber auch nicht immer alles mit – so wie Heiko den Fall der Berliner Mauer, die Öffnung der Grenze zwischen der damaligen DDR und der Bundesrepublik Deutschland am 9. November 1989:
„Der Witz war halt, ja wir haben das halt dann nicht mehr im Fernsehen gesehen. Und am nächsten Morgen war ich unterwegs um halb sechs, sechs Uhr morgens und hab’ meinen Arbeitskollegen abgeholt mit dem Auto, und wir fuhren durch ein nebliges West-Berlin, und in der Nähe vom Kongresszentrum fuhren plötzlich Trabis durch die Gegend. Und ich hab’ zu meinem Kollegen gesagt: ‚Was machen die denn hier?‘ Und er sagte: ‚Mensch, weeßt De denn nicht? – als Berliner so richtig. Unser Chef hat heute am Brandenburger Tor getanzt, gestern Nacht‘. – Ich sag: Warum denn? – Ja, die Mauer ist doch gefallen! – Ich sag: „Das hab’ ich verschlafen!“
Erst als er sich über die vielen Autos der Marke Trabant, eher bekannt unter ihrer Abkürzung Trabi, im Westen Berlins wunderte, wurde er stutzig. Sein Arbeitskollege musste ihn aufklären. Wach ist Heiko, wenn es ums Autofahren geht, denn das war schon immer seine Leidenschaft. Was fasziniert ihn so am Taxifahren?
„Taxifahren gibt schon ein gewisses Gefühl von Freiheit. Ich habe keinen Chef hinter mir sitzen. Ich kann selber entscheiden, wann ich arbeite, wie lange ich arbeite, wann ich meine Pausen mache, wohin ich fahre.“
Heiko liebt seine berufliche Freiheit. Er kann seine Arbeitszeiten selbst festlegen und ist nicht von einem Vorgesetzten abhängig, hat keinen Chef hinter sich sitzen. Die Nachtarbeit hat sich für Heiko bewährt: Er hat angenehme Kunden und keinen Stress – anders als zu anderen Zeiten:
„Das hat man, glaub’ ich, eher tagsüber, dass man dann jemanden hat, der ganz schnell zum Flughafen muss und total gestresst ist. Das ist nachts alles ’n bisschen entspannter. Das Autofahren an sich ist ja auch entspannter, weil nicht so viel Verkehr ist.“
Es gibt aber noch einen Grund, warum Heiko gerne nachts arbeitet: Er ist ein Nachtmensch. Morgens schläft er lieber lange, und wird erst ab Mittag/Nachmittag aktiv. Von 21 Uhr bis sechs Uhr morgens zu arbeiten, macht ihm nichts aus. Trotzdem führen er und seine Freundin Barbara eine harmonische Beziehung:
„Ich denke, dadurch dass wir ’n relativ harmonisches Paar sind, uns sehr gut kennen und uns eben über all die langen Jahre arrangiert haben. Und dadurch, dass ich natürlich selbstständig bin und mir meine Arbeit einteilen kann, deswegen funktioniert es auch ganz gut.“
Bei Paaren, bei denen beide Partner im Schichtdienst arbeiten, kommt es sehr häufig vor, dass man sich kaum sieht. Bei Heiko und Barbara ist das anders, unter anderem auch, weil Barbara selbstständig ist und auch mal von zuhause aus arbeiten kann. Beide haben sich mit der Situation arrangiert, haben sich mit dem Umstand abgefunden, dass Heiko nachts arbeitet. Meistens schläft Heiko bis 13 Uhr. Das ist für ihn dann morgens. Bevor er losfährt, essen er und seine Freundin gemeinsam. Heiko schwärmt von ihren Kochkünsten:
„Mein Lieblingsessen ist eigentlich alles, was meine Freundin kocht. Also Barbaras Küche ist ganz lecker. Aber wenn ich alleine bin, und Barbara beruflich nicht in Berlin ist, dann mach’ ich mir mein Lieblingsgericht aus meiner Kindheit. Und das sind Kartoffeln, Bratwurst und Sauerkraut.“
Wenn Heiko Zeit hat, besucht er zwei- oder dreimal im Jahr seine Eltern, die noch in seiner ostfriesischen Heimatstadt Aurich wohnen. Oder er hört Musik, eine seiner Leidenschaften von früher. In seiner Wohnung im Berliner Stadtteil Friedrichshain hat er eine große Plattensammlung. Ab und zu legt er in einer Galerie, die Freunde von ihm betreiben, als DJ auf:
„Das mache ich schon, seit es den Laden gibt. In den ersten zwei Jahren war ich fast jeden Dienstag hier, und in den letzten zwei Jahren nicht mehr so viel. Man wird ja älter und, na ja, ich such’ [pick] mir jetzt die Rosinen raus. Wenn eine gute Band, eine interessante Band spielt, dann komme ich gern.“
War Heiko anfangs noch oft in dem Club, dem Laden, wie er umgangssprachlich sagt, geht er jetzt nur noch hin, wenn ihn etwas interessiert. Er pickt sich redensartlich die Rosinen heraus, wählt nur das Beste aus. So wie jemand, der sich die leckeren, süßen Rosinen aus einem Kuchen herausnimmt. Und so war es schon immer für Heiko: Für gute Musik ist ihm der Weg nur ganz selten zu weit.