Manuskript

Auf der Jagd

Sie muss sich in Deutschland keine Sorgen um Nachwuchs machen: die „grüne Zunft“. Die Jagd nach Wildtieren unterliegt allerdings strengen gesetzlichen Regeln. Ein Jagdschein ist Grundvoraussetzung.


Deutschland gilt als Land der Jägerinnen und Jäger: Der Deutsche Jagdverband verzeichnet rund 400.000 Besitzerinnen und Besitzer eines Jagdscheins. Denn nicht jeder darf sich mit einem Gewehr auf den Weg in den Wald machen. Voraussetzung ist, dass man im Besitz eines Jagdscheins ist. Dieser wird nur von staatlichen Stellen ausgestellt. Um einen Jagdschein zu bekommen, muss man zunächst eine grundlegende Ausbildung etwa in Fächern wie Wildtierkunde, Wald- und Landbau, Umweltschutz, Waffenkunde oder Jagdrecht machen und eine Prüfung bestehen. Über Nachwuchs muss sich die sogenannte „grüne Zunft“ keine Sorgen machen. Die Zahl der Prüflinge steigt nach Angaben des Jagdverbands seit Jahren kontinuierlich. Schon mit 16 Jahren kann man die Prüfung ablegen, darf aber bis zur Volljährigkeit nur in Begleitung eines Erwachsenen mit Jagderfahrung auf die Jagd gehen.

Im westfälischen Bielefeld hat sich eine Gruppe Männer zur Jagd versammelt. Es ist früh am Morgen, und die meisten reiben sich noch den letzten Schlaf aus den Augen. Nur die Jagdhunde sind hellwach, ahnen, was kommen wird. Dreizehn Jäger haben sich im Jagdrevier eines Bauern versammelt, um Hasen, Fasane und Enten zu erlegen. Das Revier umfasst etwa 75 Hektar. Ganz traditionell blasen die Jäger in ihre Hörner und signalisieren so den Beginn der Drückjagd. Dabei wird das Wild durch sogenannte „Treiber“ und manchmal Jagdhunde aufgescheucht und in Richtung der Jäger „gedrückt“, ihnen zugetrieben. Alle Weidmänner sind guter Stimmung:

„So, und nun auf zur Jagd, ich wünsche allen ’n guten Anlauf und Weidmannsheil. / Weidmannsdank!“

Man wünscht sich einen guten Anlauf, also dass jedem möglichst viele Wildtiere vor die Flinte kommen, und ganz viel Jagdglück, Weidmannsheil. Beantwortet wird das prompt mit „Weidmannsdank“.

Nach so vielen guten Wünschen stapfen die Jäger in Richtung Feld – alle im traditionellen Grün, mit kniekurzen Hosen und Gummistiefeln. Im Bundesjagdgesetz ist geregelt, wo, wann und was gejagt werden darf. So ist die Jagd nur in dafür ausgewiesenen Gebieten, sogenannten Jagdbezirken, erlaubt. Außerdem müssen Schonzeiten beachtet werden, damit der Tierbestand nicht gefährdet wird. Bei den Tieren, die gejagt werden dürfen, wird unterschieden zwischen sogenanntem Haarwild – wie Feldhasen, Dachsen und Rotwild – und dem sogenannten Federwild wie beispielsweise Wildhühnern, Fasanen,  Rebhühnern und Enten.

Nachdem sie das erste Feld erreicht haben, verteilen sich die Männer gleichmäßig. Einer von ihnen erklärt, wie eine Drückjagd funktioniert:

„Dieses ganze Gebiet ist jetzt umstellt, und man lässt die Hunde nun rein, und nun wollen wir mal sehen, was da rauskommt. Kaninchen, Hasen. Kaninchen sind wenig da, aber Fasanen und Hasen sind hier. Das wird sicherlich ’ne Strecke geben heute.“

Der Jäger geht davon aus, dass es gute Beute geben wird. Am Ende wird es eine lange Strecke geben. Die erlegten Tiere werden nämlich in einer bestimmten Reihenfolge nebeneinander hingelegt, ausgestreckt.

Die Jagd, fachsprachlich auch Weidwerk genannt, ist nach wie vor überwiegend Männersache: Der Anteil der Jägerinnen liegt nach einer Statistik des Deutschen Jagdverbands bei sieben Prozent. Zu ihnen gehört auch Kathrin. Obwohl sie gut schießt, wird sie jedoch nicht so häufig zur Jagd eingeladen wie ihre männlichen Jagdfreunde. Frauen müssen sich, so Kathrins Erfahrungen, in dieser Welt der Männer unterordnen. Dabei hat sie – familiär gesehen – noch Glück gehabt, wie sie erzählt:

„Bei uns zu Hause ist es so, dass ich als Frau in unserem Jagdkreis sehr herzlich aufgenommen worden bin. Wahrscheinlich ist es auch nicht repräsentativ, weil mein Vater ist bei uns der Jagdpächter. Aber andererseits denk ich auch, wie man es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Und man sollte sich bemühen halt auch als Frau, wenn man dann mit der Flinte unterwegs ist, nicht plötzlich anders zu sein, als man sonst ist.“

Weil ihr Vater Jagdpächter ist, das Jagdrevier für einen bestimmten Zeitraum vom Eigentümer gepachtet hat, hatte Kathrin von Anfang an eine andere Stellung innerhalb der Gruppe. Daher sieht sie ihren Fall nicht als typisch, repräsentativ, an. Trotzdem, so findet sie, sollte man sich in die Gruppe einfügen wollen, sich nicht anders verhalten. Denn „so wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“. Das heißt: Man bekommt das Verhalten gespiegelt, das man selbst  an den Tag legt.

Am Thema „Jagd“ scheiden sich in Deutschland die Geister. Umweltschützer kritisieren, dass Jäger sich nur um die Pflege ihrer Reviere kümmern, damit das Wild genug zu fressen findet, sich rasch vermehrt und beim Abschuss groß und gesund ist. Auch dem Vorwurf, dass ihnen das Töten von Tieren Spaß macht, sieht sich die Jägerschaft ausgesetzt, ein Kritikpunkt, für den einer der Jäger bei der Drückjagd Verständnis zeigt. Er gibt einschränkend aber auch zu bedenken:

„Das Töten an sich, das müssen wir uns zubilligen. Das tun wir und wir machen Beute. Dazu müssen wir uns bekennen. Ich kann die Leute verstehen, die sagen: ‚Wie kommen die dazu, auf einen Hasen zu schießen?‘ – und dann sieht das für die blutig hinterher aus. Für einen Unbeteiligten ist das ein Anblick, der nicht begreifbar ist. Das liegt aber vielleicht daran, weil viele Menschen so wenig Beziehungen heute zum Tod überhaupt haben. Die Landbevölkerung, die hat früher dem Tod unmittelbar gegenüber gelebt: Gebären, geboren werden, wachsen, vergehen und Tod war auf Höfen in der Landwirtschaft für jedes Kind, für jeden Erwachsenen ein tägliches Erlebnis. Der Tod wird verdrängt heute von den meisten Menschen.“

Letztendlich stehen sich Befürworter und Gegner der Jagd unversöhnlich gegenüber. Dass sie aber irgendwann verboten werden könnte, dürfte unwahrscheinlich sein. Die Zahlen der aktiven Jägerinnen und Jäger sprechen für sich.