Manuskript

Auf Schnäppchenjagd

Manche befriedigen ihren Jagdinstinkt, für andere ist sie die reine Notwendigkeit: die Schnäppchenjagd. Hauptziel ist, so wenig Geld wie möglich für sehr gute Ware zu bezahlen. Jeder hat dabei seinen eigenen Tipp.

„Wenn ich einkaufen gehe, dann achte ich schon darauf, dass ich eigentlich vor allen Dingen gute Qualität einkaufe, und dann bin ich auch gerne bereit, etwas mehr zu zahlen, wenn ich weiß, dass die Qualität wirklich sehr gut ist. Aber is’ natürlich auch immer sehr schön, wenn man mal ‘n Schnäppchen machen kann, wenn man einfach ‘ne Sache, die gut ist, auch einfach preiswerter bekommt.“

Malte braucht für seinen Beruf viele Anzüge und Krawatten. Beim Kauf muss er auf gute Qualität achten. Doch manchmal passiert es, dass er ein richtiges Schnäppchen findet, also etwas, das gute Qualität hat und dabei auch noch preiswert ist. Der Begriff „Schnäppchen“ leitet sich ab vom Verb „schnappen“, nach etwas fassen. Käufer, die wie Tiere auf Beutezug gehen, werden als „Schnäppchenjäger“ bezeichnet. Sie sind ständig auf der Suche nach preiswerten Angeboten. Ute Krüger von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat festgestellt, dass es unterschiedliche Gruppen von Schnäppchenjägern gibt:

„Es gibt sicherlich bestimmte Leute, die auch einfach drauf angewiesen sind, auf den Preis zu achten. Aber es ist eigentlich mittlerweile so, dass eigentlich sehr viele Leute eben auch ganz genau gucken, was kosten die Dinge und eben auch die Preise vergleichen. Also, da kann man mittlerweile nicht mehr sagen, das ist jetzt auf ‘ne bestimmte Einkommensgrenze beschränkt oder so, sondern das machen sehr viele Leute, weil man halt doch in dem Moment, wo man Preise vergleicht, auch einiges an Geld sparen kann. Warum sollte man das nicht wahrnehmen.“

Wer auf die Suche nach Schnäppchen geht, macht das aus unterschiedlichen Gründen, wie Ute Krüger feststellt. So gibt es Menschen, die es tun, weil sie es müssen. Sie sind darauf angewiesen. Denn diese Menschen haben monatlich nicht viel Geld zur Verfügung. Allerdings, so Ute Krüger, ist die Schnäppchenjagd nicht mehr nur auf diese Gruppe beschränkt, betrifft nicht nur sie. Die Einkommensgrenze, der monatliche Verdienst, spielt keine Rolle mehr. Denn auch diejenigen, die ausreichend Geld zur Verfügung haben, vergleichen Preise, schauen, wo es einen Artikel möglicherweise preiswerter gibt. Ute Krüger findet das legitim, richtig. Denn warum sollte man diese Gelegenheit nicht wahrnehmen, sie ergreifen, wenn man Geld sparen kann. Wer beim Einkauf auf sein Geld achtet, nutzt häufig auch das Angebot sogenannter Fabrik- oder Werksverkäufe. Auf einem besonderen Gelände oder in Gebäuden bieten namhafte, bekannte, Unternehmen ihre Produkte günstiger an als in Geschäften. Zu ihnen gehört etwa auch die für ihre Schokoladenerzeugnisse und Weihnachtsgebäck weltweit bekannte Aachener Firma Lambertz. Studentin Stefanie kommt hier ab und zu gerne hin, wie sie sagt:

„Was sich lohnt, sind die Sachen zweiter Wahl, weil als Studentin hat man kein Geld, bezahlt man ungern mehr. Zum Beispiel jetzt auch hier für meine Mutter Lebkuchen zweiter Wahl. Diese schmecken genau so gut, sind halt nur nicht in Silberpapier verpackt. Stört ja keinen beim Essen, wenn sie auf’m Teller schön dekoriert sind.“

Für Stefanie lohnt es sich, bringt ihr einen Nutzen, wenn sie bei Lambertz Schokolade und Gebäck zweiter Wahl kauft. Damit sind Artikel gemeint, die die Qualitätskontrolle nicht bestanden haben. Sie sind dann beispielsweise beschädigt oder haben nicht die notwendige Größe – oder sie sind, wie die Lebkuchen, nur nicht in Alufolie, in Silberpapier, verpackt. Lebkuchen ist ein Gebäck in Kuchenform, das hauptsächlich zu Weihnachten gegessen wird. Weil sich diese Produkte nicht mehr zum normalen Preis verkaufen lassen, werden sie im Preis reduziert und als Zweite-Wahl-Ware beziehungsweise B-Ware angeboten. Am Werks- oder Fabrikverkauf mögen manche aber auch etwas anderes, wie diese Frauen deutlich machen:

„Da mag ich eigentlich lieber die Anonymität in so einem Direktverkauf, dass niemand hinter mir her rennt, niemand meckert, ob was sitzt oder mir steht oder sonst was. Ich kann es ganz alleine entscheiden./ Ja, das ist Erlebnistour! / Wenn man selbst ‘ne Jacke vom Ständer nimmt, und auf einmal ist man umringt von Frauen, die dann fragen: ‚Wo haben Sie die Jacke her? Gibt es die auch noch mal?‘ Das baut das Ego enorm auf.“

Es gibt Schnäppchenjäger, die nicht nur den günstigen Preis in den Werken schätzen, wo die Ware direkt an die Kunden verkauft wird. Sie schätzen auch die Atmosphäre. Während es in Warenhäusern und Boutiquen Verkäuferinnen gibt, die einen Kunden beraten, fehlen diese meist beim Werks- oder Fabrikverkauf. Es herrscht hier – wie es die eine Kundin formuliert – eine gewisse Anonymität. Die Kunden suchen sich die Ware selbst aus, die etwa in Regalen liegt oder auf Kleidergestellen, Ständern, hängt. Es findet keine unerwünschte Beratung statt, keiner meckert, hat etwas daran auszusetzen, ob ein Kleidungsstück richtig am Körper sitzt und gut aussieht, einem steht. Auf der anderen Seite kann man aber auch Komplimente anderer Kunden bekommen, wenn man ein besonders schönes Schnäppchen gefunden hat. Diese Komplimente können das Ego enorm, stark, aufbauen. Es geschieht etwas, was dazu führt, dass man sich selbstsicher und gut fühlt. Werks- und Fabrikverkäufe haben auch Nachteile. So kann man die gekauften Produkte in der Regel nicht umtauschen und zu manchen Verkaufsstätten muss man weit fahren. Allerdings kann man dort, wie in anderen Geschäften auch, über den Preis der Ware noch verhandeln. Das sogenannte Rabattgesetz, das Händlern nur erlaubte, auf Zweite-Wahl-Produkte mehr als drei Prozent Nachlass zu geben, wurde 2001 abgeschafft. Doch Ute Krüger von der Verbraucherzentrale weiß, dass sich nicht jeder traut, in einem Geschäft um den Preis der Ware zu handeln:

„Es gibt auch Leute, die sagen: ‚Ne, also damit hab ich nichts am Hut, das will ich nicht.‘ Es ist natürlich auch so, dass je teurer die Waren – also denken Sie mal an ein Auto – da wird man natürlich eher mal nachfragen: ‚Wie ist denn das? Können wir da nicht mal über den Preis verhandeln?‘ Und bei günstigen Produkten – denken Sie mal dran, man würde jetzt anfangen, über den Brötchenpreis zu verhandeln –, das ist sicherlich nicht, wo jemand tatsächlich handeln würde.“

Manche Menschen wollen grundsätzlich nicht um den Preis feilschen, ihn verhandeln. Sie haben damit nichts am Hut, es ist ihnen nicht wichtig. Die Wendung geht zurück auf die Sitte von Hutträgern, durch ein spezielles Zeichen oder die Form und Farbe ihres Hutes ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe beziehungsweise Gemeinschaft zu zeigen. Wer es nicht zeigte, hatte mit dieser Gruppe „nichts am Hut“. Laut Ute Krüger ist auch die Höhe eines Preises ausschlaggebend dafür, ob jemand noch feilschen möchte oder nicht. Wer sich dazu entschließt, sollte allerdings etwas beachten, meint Ute Krüger:

„Generell macht einfach der Ton die Musik. Ich denk, das geht uns allen so. Wenn jemand was von uns möchte oder uns irgendwas sagen möchte, je nachdem wie er das anbringt, ist die Reaktion auch unterschiedlich. Also, das gilt für beide Seiten.“

Wenn man jemanden um etwas bittet, macht häufig der Ton die Musik. Damit ist gemeint, dass die Art und Weise, wie man etwas sagt, es anbringt, sehr wichtig sein kann, um den anderen von seinem eigenen Anliegen zu überzeugen. So wie in einem Orchester alle Instrumente aufeinander abgestimmt sein müssen, um harmonisch miteinander zu musizieren, muss man auch seine Worte dem Gesprächspartner und der Situation anpassen. Und das gilt auch für Schnäppchenjäger. Glaubt man dem deutschen Sänger Herbert Grönemeyer hat der eine oder die andere von ihnen eher ein anderes Problem:

„… Ich könnt im Angebot ersaufen / Mich um Sonderposten raufen / Hab diverse Kredite laufen, oh, was geht’s mir gut / Oh, ich kauf mir was / Kaufen macht soviel Spaß / Ich könnte ständig kaufen geh’n / Kaufen ist wunderschön / Ich könnte ständig kaufen geh’n …“

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