Manuskript

Daheimurlaub

Urlaubszeit: Viele Deutsche verreisen ins Ausland, anderen reicht es, die freien Tage im eigenen Land zu verbringen – egal ob es auf einem Campingplatz ist oder auf dem heimischen Balkon. Möglichkeiten gibt es viele.

Die Vögel zwitschern, die Luft riecht frisch. Eine Familie grillt, eine andere unterhält sich vor ihrem Wohnwagen. Ein kleines Mädchen sitzt auf dem Gras und spielt alleine mit ihrer Puppe, ein Hund bellt. Auf dem Campingplatz mitten im Siebengebirge bei Bonn herrscht eine entspannte Atmosphäre. Katharina und ihr Mann essen gerade zu Abend. Sie wollen sich nach dem langen Weg, den sie hinter sich haben, ausruhen, denn eigentlich wohnen sie an der Nordseeküste. Sie haben schon viele fremde Länder bereist. Die beste Entspannung finden sie aber – so Katharina – beim Urlaub auf einem deutschen Campingplatz: 

„Also, ich trag auf ‘m Campingplatz keine Uhr. Dann steht man auf, wenn man halt aufgewacht ist, und man macht Mittag, wenn man Hunger hat. Und abends geht man schlafen, wenn man halt müde ist. Also da hab halt ich viel Zeit. Ich kann machen, was ich will hier.“

Auf einem Campingplatz kann man seine Zeit frei einteilen. Katharina trägt deshalb keine Armbanduhr. Sie kocht das Mittagessen, macht Mittag, wenn der Magen knurrt. Katharina verwendet eine in der Alltagssprache gängige Partikel: halt. Wenn etwas besonders betont werden soll, ist es „halt“ so – eben, nun mal. Katharina und ihr Mann wollten schon immer den Tag frei gestalten. Das Wohnen im Hotel finden sie anstrengend; dort müsse man sich immer an strenge Regeln halten, sagt Katarina. Beate stimmt ihr zu. Die 66-Jährige aus Tübingen und ihr Mann besuchen Tochter und Enkel in Bonn. Ein Hotel kommt für sie nicht in Frage.

„Wir gehen immer nur auf Campingplätze, weil wir uns nur dort so richtig aufgehoben fühlen – außer [in] unserem Haus, in dem wir in Tübingen wohnen. Wir haben festgestellt, dass Hotel, dass das nicht in Frage kommt, weil man da zu abhängig ist von den Essenzeiten, und man muss sich immer schön anziehen. Und hier kann man leben, wie man will, man kann aufstehen, wann man will. Man ist völlig unabhängig. Und wenn das Wetter mal schlecht ist, kann man auch weiterfahren.“

Auch Beate mag – wie Katharina – die Freiheit, die man auf einem Campingplatz hat. Dort sei es fast wie zuhause, man fühle sich gut aufgehoben. Das ist anders, wenn man einen Urlaub mit Hotel und Halb- oder Vollpension macht. Dort muss man zu festgelegten Zeiten essen, man ist davon abhängig, – und muss in passender Kleidung zu den Mahlzeiten erscheinen. Man muss sich immer schön anziehen. Aber auch auf dem Campingplatz gelten Regeln. Hier herrscht enge Nachbarschaft, viele Wohnwagen stehen in Reihen nahe beieinander, und man kennt sich. Mancher Urlauber schätzt das sehr – wie Natalie:

„Unsere Reihe ist eigentlich fast wie so ‘ne Familie. Hier kennt jeder jeden. Wenn mal was passiert, ist der andere dann auch zur Stelle und hilft.“

Die junge Mutter findet hier Ruhe und mag die familiäre Atmosphäre, wo jeder jeden kennt. Ein Campingurlaub hat aber auch noch einen weiteren Vorteil: Er ist preiswerter als ein Hotelaufenthalt. Natalies Wohnwagen steht den ganzen Sommer für etwa 500 Euro auf dem Campingplatz in der Nähe ihres Wohnorts. Für den Camper Horst-Josef kommt nur ein Urlaub auf dem Campingplatz in Frage – aus einem ganz bestimmten Grund:

„Ich glaube, im Ausland könnten wir billiger Urlaub machen. Ich fahre nur dahin, wo ich mich verständigen kann. Da ich fast kaum Englisch spreche, ist für mich also das  Schlimmste, was gibt, irgendwo in Urlaub zu fahren, wo ich mich nicht verständigen kann. Deutschland, Österreich Schweiz, das waren unserer Urlaubsgebiete und sind’s auch heute noch. Spanien oder so: Ne!“

Horst-Josef findet, dass ein Urlaub im Ausland für ihn und seine Familie zwar preiswerter sei. Allerdings: Wenn er ins Ausland reise, dann wolle er die Landessprache auch sprechen, sich verständigen können. Und seine Fremdsprachenkenntnisse seien nicht so gut. Deshalb wird eben Urlaub in deutschsprachigen Ländern gemacht. Jürgen aus Bonn bleibt gleich ganz zuhause:

„Ich mach’ dieses Jahr Urlaub auf meinem Balkon. Trotzdem würde ich sehr gerne im Ausland sein, irgendwo in Afrika oder im Süden Europas, wo es warm ist. Das kann ich mir aber nicht leisten. Es ist einfach zu teuer.“

Jürgen ist einer von vielen, die Urlaub in den eigenen vier Wänden machen, weil sie zum Beispiel nicht genug Geld zum Verreisen haben. In der Umgangssprache heißt das „Urlaub auf Balkonien“ – in Anlehnung daran, dass jemand auf einem Balkon sitzt. Andere Daheimurlauber können sich auch in einem Kleingartenverein, einem Schrebergarten, entspannen – wie am Rand der Altstadt von Neuss in Nordrhein-Westfalen. Dort bilden 150 Kleingärten eine sogenannte Kolonie, eine Siedlung. Fast überall sind Blumenbeete angelegt. Mancherorts finden sich Tomatenstauden im Schatten großer Apfelbäume. In einem dieser Gärten verbringt Toni seinen Urlaub. Sein Grund ist:

„Die Ruhe, das Entspannen von der Arbeit, das ganz einfach mit der Natur leben, sehen,  wie sich die Pflanzen entwickeln, die Rosen aufblühen, wie beim Biotop oder in ‘nem Teich sich die Fische und die Frösche bewegen. Und wenn man im Herbst dann irgendwann mal urplötzlich im Garten einen Igel trifft, dem man ‚Guten Abend‘ sagt und der sich auch über ‘ne Banane freut, die man ihm da mal hinlegt – das sind so die schönen Seiten des Gartens.“

Toni, einer von inzwischen vielen jungen Menschen in Kleingärten, empfindet die hier herrschende Idylle als Urlaub. Er sieht, wie sich Pflanzen und Tiere in einem natürlichen Umfeld, einem Biotop, entwickeln. Toni lebt mit der Natur und freut sich über diese angenehme Atmosphäre – ganz besonders, wenn er einem Igel eine Freude machen kann! Urlaub daheim kann also auch seine schönen Seiten haben.