Manuskript

Das illegale Geschäft mit Hunden

Der Handel mit geschmuggelten Hunden, vor allem Welpen, ist ein Milliardengeschäft. Meist kommen die Tiere aus osteuropäischen Ländern nach Deutschland. Tierschützer versuchen, den Händlern das Handwerk zu legen.

Mit großen, dunklen Knopfaugen schaut der weiße Malteser-Welpe den Betrachter auf der Internetseite an, auf der Hunde zum Kauf angeboten werden. Mit Fotos wie von diesem Welpen wird viel Geld gemacht, auch sehr viel illegales Geld. Denn häufig stecken hinter solchen Internetanzeigen keine seriösen Züchterinnen und Züchter, sondern illegale Händler. Deutschland gilt neben Österreich und der Schweiz als Hauptabsatzmarkt für geschmuggelte Hunde. Die meisten illegal importierten Hunde kommen nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes aus Rumänien, gefolgt von Ungarn, Serbien und Bulgarien. Tierschützer versuchen, den Händlern auf die Spur zu kommen und ihnen das Handwerk zu legen. Zu ihnen gehört auch der Berliner Stefan Klippstein. Er versucht, die Täter auf frischer Tat zu ertappen. Dazu bedient er sich meist eines Lockvogels, weil er selbst in der Szene schon zu bekannt ist. Wütende Hunde-Schmuggler haben ihn bereits mehrmals angegriffen und schwer verletzt. Dieses Mal ist es wieder eine Freundin, die das fingierte Kaufgespräch führen soll. Vorab erklärt er ihr, welche Fragen sie stellen soll:

„Ganz wichtig ist: Immer fragen, wo kommt das Tier her? / Auf jeden Fall. / Kommt es wirklich aus Serbien. Ich mein’, du kennst das ja. Du hast ja schon ’n paar Mal das Ganze gemacht. Berlin-Wedding ist natürlich die Hochburg des illegalen Welpen-Handels. Das kommt ja auch noch dazu. Ich hoff’ nicht, dass es jemand ist, den wir schon kennen. / Hoff’ ich auch. Aber es wird schon. / Genau. Ich denke doch, dass ...“

Die deutsche Hauptstadt ist auch wegen ihrer geografischen Lage interessant für die osteuropäische Hundemafia. Der Berliner Stadtteil Wedding ist eine Hochburg, ein besonders bedeutender Ort, für die illegalen Geschäfte. Am vereinbarten Treffpunkt angekommen, führt die Freundin das Gespräch wie besprochen:

„Ah, der ist aber süß. / Ja, na klar. / Wo kommt der denn her? / Die – aus Serbien / Ist mit ihr auch alles okay? / Okay? Keine Ahnung. Ja. / Und wie war der Preis jetzt eigentlich dafür? / Also 500 [Euro]. / Okay.“

Der Deal war natürlich eine Falle. Die Polizei war vorher informiert worden und greift zu:

„Polizei! An die Wand! …. Beruhigen Sie sich. / Warum soll ich mich denn beruhigen? Hallo, das ist doch nicht normal / Runter auf den Boden jetzt. / Ich bin 14.“

Stefans Verdacht bestätigt sich. Die Verkäufer sind tatsächlich illegale Hundehändler mit einem beachtlichen Vorstrafenregister. Sie werden festgenommen. Stefan schaut sich nun zusammen mit der Freundin den Hundewelpen an und stellt fest:

„Augenentzündung, Ohrenentzündung. / Sie hat ihn angeblich heute gewaschen, ja. / Sie hat ihn heute gewaschen. Das machen sie tatsächlich. Er riecht auch total, wenn man riecht, nach Hundeshampoo. Das machen sie immer, dass sie die Hunde davor noch mal baden, dass sie besser aussehen und besser riechen für die Käufer. Und der Hund ist vielleicht zehn Wochen alt – wenn überhaupt – und dürfte niemals in Deutschland jetzt sein und hier verkauft werden.“

Welpen dürfen innerhalb der EU erst ab einem Alter von 15 Wochen exportiert werden. Davor müssen sie alle Pflichtimpfungen bekommen haben – für ihre eigene Gesundheit und, um keine Krankheiten zu verbreiten. Stefan Klippstein ist auf dem Gebiet des illegalen Hundehandels inzwischen ein Experte. Schon seit 2015 beschäftigt er sich mit dem Thema. Er findet dubiose Anzeigen im Internet und alarmiert die Polizei. In der Regel erkennt er direkt, ob ein Tier illegal angeboten wird. Der Reporterin demonstriert er das an einem Beispiel:

„Ja, das ist wieder so ’ne ganz typische Anzeige, wo ’n Hund illegal verkauft wird. Der Hund ist einzeln auf dem Sofa angeboten, hat ’ne ganz starke Augenentzündung. So würde ’n seriöser Züchter niemals seinen Hund anbieten. Auch der Preis mit 500 Euro – viel zu billig. Bei ’nem normalen Züchter kostet der Hund 1000, 1200 Euro.“

Die Anzeigen werden, so erklärt er weiter, in der Regel auf Verkaufsplattformen wie beispielsweise eBay-Kleinanzeigen eingestellt:

„Wenn du hier bei eBay-Kleinanzeigen schaust: über 16.000 Anzeigen, wo Hunde verkauft werden. Wir sind auf eBay. Es gibt ja noch diverse andere Plattformen wie ‚DeineTierwelt‘, ‚Haustier-Anzeiger‘ und ähnliche. / Wenn man ganz Europa betrachtet … / … dann sind das Millionen von Hunden, die verkauft werden – jedes Jahr. Und die Gewinnspanne ist natürlich ganz, ganz hoch, weil die Hunde ja ganz billig – wie in unserem Fall – aus Osteuropa eingekauft werden und dann für den drei- bis vierfachen Preis hier verkauft werden. Und erfahrungsgemäß würd’ ich sagen, dass acht von zehn Anzeigen bei eBay-Kleinanzeigen zum Beispiel unseriöse Tierhändler sind, die illegal mit Hunden handeln.“

Allein über eBay-Kleinanzeigen werden laut einer Kalkulation der weltweit tätigen gemeinnützigen Tierschutzorganisation Vier Pfoten jährlich 2,3 Millionen Hunde verkauft – die meisten illegal. Die Gewinnspanne pro Tier, also der Unterschied zwischen Anschaffungs- und Verkaufspreis, liegt bei mehreren Hundert Euro. Tierschützer schätzen, dass mittlerweile Milliarden Euro mit illegalem Hundehandel verdient werden. Dabei sind die Tiere häufig krank, nicht geimpft und haben keine oder gefälschte Gesundheitszeugnisse. Wichtige Helfer und Helferinnen der Hundemafia sind korrupte Tierärztinnen und Tierärzte, die falsche Papiere ausstellen. Eine Tierärztin aus Rumänien, die anonym bleiben möchte, bestätigt entsprechende Praktiken:

„Ich habe ganz viele Angebote bekommen, TRACES zu erstellen, ohne die Tiere überhaupt gesehen zu haben. Praktisch wollten sie mir nur eine Chipliste geben. Ich soll dann Pässe, Papiere und TRACES machen, das Geld einfach so bekommen. So etwas habe ich nicht akzeptiert, auch die Impfungen sind nicht real. Die haben Europa mit Krankheiten überzogen.“

Das europäische tierärztliche Informationssystem TRACES ist ein EU-Datenbanksystem, mit dem der Tierhandel innerhalb der EU und in und aus Nicht-EU-Staaten kontrolliert wird. Hauptziel ist, die Einfuhr kranker Tiere und damit Seuchen zu verhindern. Auf einem Mikrochip, einem sehr kleinen elektronischen Bauteil, sind die für Veterinär-Amtsärzte notwendigen Informationen gespeichert wie etwa Impfungen und die bisherigen Besitzer. Dieser Chip von der Größe eines Reiskorns wird den Hunden laut internationaler Standards auf der linken Halsseite unter die Haut gespritzt.

Doch nicht nur mit Hundewelpen lässt sich gut Kasse machen, also viel Geld verdienen, sondern auch mit Straßenhunden, berichtet Stefan:

„Hört sich erst mal blöd an: Wie soll ich mit Straßenhunden Geld verdienen? Aber ich kann die ja dort auf der Straße einsammeln. Es gibt ja Hunderttausende Hunde, die auf der Straße leben. Oder aus Tierheimen holen. Krieg’ die dort sogar noch geschenkt. Und damit machen sie eigentlich groß Kasse: mit dem Mitleid der Leute.“

Die Hunde werden direkt von der Straße mitgenommen, in Verschläge eingepfercht. Involviert in das Geschäft sind vermeintliche Tierschützer in Deutschland, die mit Vermittlern in Rumänien zusammenarbeiten. Gemeinsam sammeln sie im Internet – meist über Facebook – Spendengelder. Und so wird eine wahre Geldmaschinerie in Gang gesetzt. Der rumänische Tierschützer Marius beschreibt, wie das genau abläuft:

„‚Die Retter schreiben dann: ‚Wir brauchen Geld für den Transport‘. Und der Deutsche, der Italiener, der Engländer beginnt zu zahlen. Und so kommen ein paar Tausend Euro zusammen. Sie laden die Hunde in einen Transporter und bringen sie zu einer Pflegestelle, wo sie wieder Sponsoren suchen. Die gleichen [Leute], die schon einmal gespendet haben, spenden dann wieder. Und dann folgt eine neue Etappe: vermeintlich Geld für Impfungen, Pässe und so weiter. Und so kassieren sie noch einmal. Wahrscheinlich sammeln sie 20.000 bis 25.000 Euro für 30 bis 40 Hunde.“

Und was wird gegen den illegalen Hundehandel unternommen? Tierschützer Stefan Klippstein meint: viel zu wenig. Er hat den Eindruck, gegen Windmühlen zu kämpfen. Wenn er mit seinem eigenen Hund spazieren geht, muss er immer daran denken:

„Dass es Millionen Hunde gibt, die auf der Straße leben, in Verschlägen gehalten werden, Hundewelpen, die halbtot über eBay verkauft werden, [und] wenn sie nicht gekauft werden, in Mülltonnen entsorgt werden. Das macht mich natürlich wütend, ist hoch frustrierend für mich als Tierschützer, dass es immer noch möglich ist, weil immer noch nicht der Onlinehandel mit Tieren verboten worden ist.“

Doch ein solches Verbot ist in Deutschland derzeit nicht in Sicht. Und so werden weiter Monat für Monat durch den Schmuggel mit Hunden aus Osteuropa Millionen Euro verdient.