Der Deutschen liebstes Gemüse: Spargel
Eigentlich sind es nur unscheinbare, meist weiße Stangen. Doch sobald die Spargelzeit anbricht, sind viele Liebhaber des heimischen „königlichen Gemüses“ nicht mehr zu halten. Allerdings hat es seinen Preis.
Die Deutschen lieben eher den weißen, die Franzosen vor allem den grünen. Die Rede ist von Spargel, genauer gesagt: vom Gemüsespargel „Asparagus officinalis“. Dank Importen aus Übersee und Südeuropa gibt es das Gemüse zwar das ganze Jahr, doch Kenner warten auf die heimische Saison. Die begann früher im April, aber dank Heizschlangen, die den Boden erwärmen, kann inzwischen oft schon im März geerntet werden. Definitiver Ernte- und Verkaufsschluss ist immer am Johannistag, dem 24. Juni – getreu der alten Bauernregel: „Sind die Kirschen rot, ist der Spargel tot.“ Damit die Pflanzen genug Kraft für das Wachstum im neuen Jahr haben, muss man sie dann erst mal in Ruhe lassen.
Kaum gibt es den ersten heimischen Spargel zu kaufen, gibt es für viele Menschen in Deutschland kein Halten mehr. In vielen Haushalten kommt dann mindestens einmal wöchentlich Spargel auf den Tisch, Restaurants überbieten sich auf ihren Speisekarten mit verschiedenen Zubereitungsarten.
Die Meinungen gehen allerdings auseinander, welcher Spargel aus welcher Region am besten schmeckt. Mancher schwört auf Bruchsal in Baden-Württemberg, ein anderer auf den aus Schrobenhausen in Bayern. In Norddeutschland schätzt man die weißen Stangen aus Braunschweig und Hannover, in Thüringen die von der Unstrut und so weiter. Egal, wo er herkommt, entscheidend für den guten Geschmack ist vor allem ein Kriterium: Der Spargel muss frisch sein. Nur wie erkennt man das? Landwirt und Spargelbauer Peter Geng aus Reilingen bei Mannheim erklärt das anhand eines Beispiels:
„Das ist ganz frischer Spargel von heute. So muss der klingen. Das ist also ’n sicheres Zeichen, dass er frisch ist. Und dann hat man hier noch die Anschnitte unten. Die dürfen also nicht eingetrocknet sein oder aufgerissen oder aufgesprungen.“
Ein Kriterium für die Frische ist der sogenannte „Anschnitt“. Hat eine Stange auf dem Feld die passende Länge erreicht, wird sie mit einem Messer oberhalb der Erde abgeschnitten, dann in Kisten gepackt und weitertransportiert. Ist Spargel nicht mehr frisch, ist die Schnittkante trocken oder sogar aufgesprungen, hat Risse bekommen.
Um die zunehmende Nachfrage zu decken, wurden die Anbauflächen mit den Jahren immer weiter ausgedehnt. Allerdings sind Anbau und Ernte ein mühseliges Geschäft, das kein Wochenende und keinen Feiertag kennt und dazu führt, dass Spargel nicht preiswert ist. In der Regel werden Erntehelfer aus osteuropäischen Staaten als Saisonkräfte eingesetzt. Traditionelle Sorten wie der „Schwetzinger Meisterschuss“ werden nur noch selten angebaut. Moderne Züchtungen, die mehr und gleichmäßigeren Ertrag bringen, haben ihn verdrängt. Ob der Spargel weiß, violett oder grün ist, hat – so Peter Geng – weniger mit der Sorte zu tun:
„Wenn er Licht bekommt, unser weißer Spargel, fängt er an, zunächst die violette Farbe zu bilden. Das ist das Anthocyan. Dann geht die Chlorophyll-Bildung los, und er wird unter dem Violetten grün. Man kann also jeden Spargel entweder als Weißspargel oder als grünen Spargel [züchten].“
Gezüchtet wird der Spargel deshalb unter riesigen schwarzen Plastikfolien, die zum einen das edle Gewächs vor Licht schützen, andererseits die Wärme der Sonne besonders gut aufnehmen und weitergeben. Stößt die Pflanze dann durch die Folie durch ans Licht, fängt die Farbbildung an. Der Pflanzenfarbstoff Anthocyan sorgt für die Violettfärbung, das Farbpigment Chlorophyll für die Grünfärbung. Für den Geschmack nicht unwichtig, so Peter Geng, ist dann noch die Bodenqualität:
„Verschiedene ‚Gewanne‘ haben unterschiedliche Bodenqualitäten. Eine ‚Gewann‘ ist ’ne Feldregion, die also [’ne] gemeinsame Bodenqualität hat. Und es gibt also wirklich Kundschaft, die behauptet von sich, sie sind in der Lage, hier die Bodenunterschiede herauszuschmecken.“
Ganz wie beim Wein also, wo die Kenner besonders Gewächse schätzen, die ihren Bodencharakter widerspiegeln. Darüber hinaus kommt es natürlich noch auf die schöne Gestalt, das Aussehen an, sagt Peter Geng:
„Klasse 1 sind makellose Spargel: gerade, geschlossene Köpfe, einheitliche Farbe – entweder weiß oder violett. Und dann gibt’s natürlich die Handelsklasse II. Die beinhaltet schon gewisse Schönheitsfehler. Es gibt noch eine extra dicke, 26 bis 36. Ich nenne die gern ‚Jumbos‘. Das sind also wirklich solche Oschis, die werden allerdings nicht so sehr gerne genommen, weil, man hat weniger Kopfanteile.“
Landwirtschaftliche Erzeugnisse und Fisch, die in Deutschland verkauft werden, werden nach verschiedenen Kriterien geprüft und dann in sogenannte „Handelsklassen“ (auch „Güteklassen“) eingeteilt. Die Handelsklassen für Obst und Gemüse reichen von „Extra“, der höchsten Qualitätsstufe, bis zu „II“. Dann kann die Ware verkauft werden, weist aber Fehler etwa bei Form und Farbe auf, umgangssprachlich gern als „Schönheitsfehler“ bezeichnet. Sie ist nicht makellos, fehlerfrei. Beim Spargel sollten die Köpfe, die Spitzen, makellos sein, denn sie gelten als der leckerste Teil. Daher sind Oschis, umgangssprachlich riesige, dicke Stangen, nicht so beliebt bei den Kunden, weil der Spargelspitzenanteil gering ist.
Ob dick oder dünn, pur, mit Butter oder allerlei Saucen: Spargel gilt als „feines Gemüse“. Begonnen hat er seine Karriere aber als medizinische Pflanze so um das Jahr 460 vor Christus. Der griechische Arzt Hippokrates empfahl Tee aus getrocknetem Spargel als harntreibendes Mittel. Und ein Aufguss aus den Wurzeln des Spargels sollte gegen Zahnschmerzen und Bienenstiche helfen. Als Liebestrank musste er natürlich auch noch herhalten. Benutzt wurde allerdings ausschließlich wilder Spargel. Kultiviert und als Gemüse geschätzt haben ihn erst die Römer rund 200 Jahre später.
Wo genau er herkommt, ist übrigens unbekannt. Vermutet wird Kleinasien. Im Mittelalter galt der Spargel in Europa dann erneut als Heilpflanze. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts wurde das Wissen seiner heilenden Wirkung in Kräuterbüchern verbreitet. Erst danach wurde Spargel zum beliebten Luxusprodukt des Adels und zierte die höfische Tafel. Mit dem teuren Gewächs ließ sich Status demonstrieren, weshalb sich das aufstrebende Bürgertum im Zuge der Industrialisierung bemühte, es dem Adel gleichzutun.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde Spargel das erste Mal in Dosen konserviert. Jetzt zählte fast nur noch der Genuss. Das Statussymbol verblasste, weil das Gemüse für jedermann zugänglich wurde. Einbrüche gab es im europäischen und besonders im deutschen Spargelanbau natürlich durch die beiden Weltkriege. Auch wenn es Vitamine besitzt: Besonders nahrhaft ist das Gewächs nicht. Was heute wiederum sehr geschätzt und allseits gelobt wird: Spargel ist der Renner für Diätpropheten, Gourmets und natürlich für Köche, die mit immer neuen Spargelkreationen auftrumpfen. Peter Geng gefällt dagegen die einfache Methode am besten:
„Das Wichtigste: dass der Spargel gut geschält ist und nach Möglichkeit erst frisch vor der Zubereitung geschält wird; und dann: Wasser, Salz – wo Salz kommt, kommt auch Zucker –, ’n Stich Butter, wenn man mag noch etwas Zitronensaft – aber bitte nicht zu viel; dass er nicht nach Limonade schmeckt. Dann kocht man den Spargel. Es wird immer wieder propagiert, man sollte den Spargel bissfest kochen. Wenn aber der Spargel im gekochten Zustand auf dem Tisch noch in der Lage ist, dass man seinem Nachbarn die Augen mit ausstechen kann, dann ist er zu hart. Wir essen den Spargel gern schön weichgekocht. Der kann ruhig etwas sich über die Gabel biegen.“
Peter Geng mag die klassische Variante, bei der ins Kochwasser neben Salz und etwas Zucker, damit dem Spargel seine Bitterkeit entzogen wird, auch noch eine kleine Menge, ein Stich, Butter sowie ein Spritzer Zitronensaft gehört. Dieser ist dazu da, dass die weiße Farbe des Spargels besser zur Geltung kommt. Je länger man den Spargel kocht, desto mehr verliert er an Festigkeit. Er ist nicht mehr bissfest. Zu hart darf er aber nicht sein. Es sei denn, man möchte ihn als Waffe einsetzen. Das dürfte allerdings eher unwahrscheinlich sein.