Manuskript

Der Spreewald: ein Wasserparadies in Not

Der Spreewald in der Nähe von Berlin ist ein landschaftliches Juwel, das jedes Jahr viele Menschen anzieht. Doch die unberührt aussehende Natur ist vom Klimawandel bedroht: Da es zu wenig regnet und die Sommer immer heißer werden, fehlt in der ausgedehnten Flusslandschaft immer mehr Wasser. Es gibt bereits Lösungsansätze, wie man den Spreewald retten könnte. Doch über die herrscht vor Ort keine Einigkeit.

SPRECHER:
Dirk Meier in seinem Element. Im Wasser, genauer im Wasser des Spreewaldes. Meier verdient hier sein Geld mit Hotels und einem Bootshafen – der Spreewald ist ein Touristenmagnet. Aber Meier weiß: Es wird hier nicht so bleiben, wie es ist.

DIRK MEIER (Hotelier und Hafenmeister):
Wir müssen wissen, dass wir die letzten 50, 60 Jahre, also vom Wasserhaushalt her, im Paradies gelebt haben. Also, es gab keinen Wassermangel, es gab eher zu viel Wasser.

SPRECHER:
Die Zeiten sind vorbei. Schon 2019 herrschte zeitweise Ebbe im Spreewald, Kanäle und Fließe fielen trocken. Damals noch eine Ausnahme, wegen der Hitze und fehlenden Regens. Aber Experten wie Ingolf Arnold warnen: Das ist die Zukunft des Spreewaldes.

INGOLF ARNOLD (Verein Wasser-Cluster-Lausitz):
Wenn man nichts tut, kollabiert wirklich das gesamte Spreesystem – mit deutlich negativen Folgen für den Spreewald.

SPRECHER:
Die Ursache: direkt nebenan im Braunkohlerevier. Für den Tagebau wurden gewaltige Gruben angelegt, aus denen massenhaft Grundwasser unterirdisch abgepumpt wird – in die Spree. Doch jetzt steigt Deutschland aus der Braunkohle aus: Kein Abbau mehr, kein Abpumpen, kein Grundwasser für die Spree.

DIRK MEIER:
Wenn der Kohleausstieg kommt, ist es so, dass also das Grundwasser nicht mehr gefördert ist und wir mit dem natürlichen Dargebot leben müssen. Das heißt, dass im Sommer bei geringen Niederschlägen eben auch Fließe trocken fallen können.

SPRECHER:
Und dann sähe es im Spreewald wieder so aus wie auf alten Fotos vor dem Kohleabbau: mal Hochwasser, mal Niedrigwasser – mit Folgen für den Tourismus, aber nicht nur das.

INGOLF ARNOLD:
Das pessimistische Szenario wäre, dass tatsächlich in 25 Jahren in so ’nem trockenen Sommer der Wassertourismus extrem eingeschränkt wird. Und in Berlin Wasser rationiert werden muss.

SPRECHER:
Denn die Spree fließt auch durch Berlin und dient hier nicht nur zum Paddeln. 40 Prozent des Trinkwassers der deutschen Hauptstadt werden aus der Spree gewonnen. Fällt der Pegel merklich, könnte es knapp werden. Umweltschützer wie Axel Kruschat fordern drastische Schritte, und zwar sofort.

AXEL KRUSCHAT (Umweltschutzorganisation BUND Brandenburg):
Wir müssen Maßnahmen im Spreewald ergreifen, um das Wasser in der Landschaft zu halten. Ja? Das heißt, es muss Moorschutz passieren, das heißt, es müssen Kanäle, die erweitert wurden, um den Tagebauabfluss sozusagen aufzunehmen, müssen zurückgebaut werden. Ja? Und das wird alles Geld kosten.

SPRECHER:
Rückbau von Kanälen – das wäre das Aus für viele der bei Touristen beliebten Touren durch den Spreewald per Boot. 

FRAU 1:
Das wär’ ja grausam, ja, das wär’ ja nicht schön. Das ist ja gerade das Schöne am Spreewald, die Fließe und das Wasser und die Natur.

MANN 2:
Andere Städte schaffen’s auch über Tourismuseinnahmen, ich hoffe, dass das hier auch funktioniert. Also, Venedig verlangt jetzt Geld [dafür], dass man die Stadt besucht, dann muss man hier halt auch … auch für die Tagestouristen Geld verlangen.

MANN 3:
Diese Einzigartigkeit des Spreewaldes sollte doch erhalten bleiben. Und da sollte man klug und schlau überlegen, mit Ingenieuren und Landschaftsplanern und Umweltschützern eine einvernehmliche Lösung finden.

SPRECHER:
Viel Geld wird auf jeden Fall benötigt. Alle Ideen zur Rettung des Spreewaldes sind kostspielig und umstritten. Zum Beispiel: die ehemaligen Bergbaugruben fluten. Es entstünden riesige Seen wie der Cottbuser Ostsee, aus denen dann bei Bedarf Wasser in die Spree geleitet würde.

INGOLF ARNOLD:
Der See hat also eine Fläche von knapp 2.000 Hektar. Und wenn man da nur einen Meter nutzt, als sogenannte Speicherlamelle, kann man hier 20 Millionen Kubikmeter Wasser bevorraten, um sie dann im Sommer in Richtung Spreewald abzugeben.

AXEL KRUSCHAT:
Aber dann müssen diese Seen komplett anders aussehen, ja? Der Cottbuser Ostsee kann nicht eine gewaltige Oberfläche haben – ja? –  und damit selber zur Verdunstung beitragen, sondern der muss klein und tief sein. Der muss ’ne geringe Oberfläche haben und tief sein.

SPRECHER:
Nächste Idee: Man leitet Wasser aus den Nachbarflüssen in die Spree, etwa aus der Oder. Die leidet aber gerade im Sommer selbst unter Wassermangel. 
Von den Kosten ganz zu schweigen. Die sollten im Wesentlichen die Bergbauunternehmen tragen, und nicht der Staat, fordern Umweltschützer. 
Auf unsere Anfrage schreibt der Braunkohleförderer LEAG, man nehme die Expertenstudien zur Kenntnis. Vom Land Brandenburg heißt es, konkrete Maßnahmen seien verfrüht. Und für die Hauptstadt Berlin steht eine Bewertung noch aus. Doch die Zeit drängt, glaubt Dirk Meier aus dem Spreewald.

DIRK MEIER:
Also eigentlich ist es schon zu spät, – ja? – weil, so eine Planungsmaßnahme dauert bestimmt 20 Jahre. Aber das Problem ist 100 Jahre bekannt, also da müssen wir jetzt aus dem Knick kommen.

SPRECHER:
Die Menschen im Spreewald wissen: Ihre Heimat ist nur eine Idylle auf Zeit und wird sich wohl schon bald verändern.

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