Manuskript

Die wechselvolle Geschichte ostdeutscher Familienbetriebe

Gehen oder bleiben? Vor dieser Frage standen die Eigentümer von Familienbetrieben in der DDR. Fast alle, die blieben, verloren ihr Unternehmen an den Staat. Nach 1990 kämpften sie darum, ihre Firmen zurückzubekommen.


Manchmal ging es ganz schnell – wie bei dem traditionsreichen Klavierhersteller Blüthner in Leipzig. Seit seiner Gründung im Jahr 1853 gehörte das Unternehmen der Familie. Dann erschienen im Frühling 1972 Funktionäre der DDR-Regierung und erklärten dem jungen Firmenchef Ingbert Blüthner-Haessler: „Wir wollen Ihren Betrieb haben.“ Anfang Mai war das Unternehmen Eigentum der DDR.

Viele Unternehmer hatten damit gerechnet und ihre Firmen schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in den Westen verlegt. Das hatte nicht nur Vorteile für sie selbst, sondern auch für die Bundesrepublik, denn sie brachten Wissen und Wirtschaftskraft mit. Der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser sieht in der Abwanderung dieser Firmen sogar einen wichtigen Grund für die wirtschaftlichen Probleme in der DDR.

Die Unternehmen, die in der DDR blieben, trafen oft schon in den 1950er-Jahren mehr oder weniger freiwillige Vereinbarungen mit der Regierung. So auch die Firma Kathi, deren Eigentümer Kurt und Käthe Thiele die ersten fertigen Backmischungen erfunden hatten. Bald durften sie keine Waren mehr ins Ausland exportieren, dann übernahm der Staat einen Teil ihrer Produktion und damit auch Maschinen, Rohstoffe und Rezepte. 1972 wurde schließlich auch Kathi ganz verstaatlicht.

Heute gehört die Firma wieder der Familie und macht jährlich 30 Millionen Umsatz. Doch der Weg dahin war nicht leicht: Nach der Wiedervereinigung hatten ehemalige DDR-Funktionäre immer noch Einfluss. Sie machten es Rainer Thiele schwer, die Firma seiner Eltern wieder zu übernehmen. Außerdem waren Produkte aus dem Osten damals nicht besonders beliebt. Doch Thiele hat es geschafft, so wie viele andere Unternehmer auch. Inzwischen sind 92 Prozent der ostdeutschen Firmen wieder Familienbetriebe – das sind mehr als in Westdeutschland.

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